Heft 11

Maria Gerhards/Walter Klingler

Jugend und Medien: Fernsehen als Leitmedium

Entwicklungsphasen, Nutzung und Funktionen der Medien für Jugendliche

Der Beitrag stellt Veränderungen der Bedeutung von Radio, Fernsehen und Tageszeitung für Jugendliche seit den 70er Jahren dar. Besonderes Augenmerk wird auf die Rolle des Fernsehens für die Heranwachsenden in den 90er Jahren gelegt. Der Rückblick zeigt, daß Hörfunk und Fernsehen immer dann Reichweitengewinne verzeichnen konnten, wenn neue, zielgruppenspezifischere Angebote hinzukamen. Beim Radio war das in den 80er Jahren der Fall, nachdem die ARD neue Service- bzw. Begleitwellen eingerichtet hatte, beim Fernsehen Anfang der 90er Jahre, einhergehend mit der Etablierung privatkommerzieller Programme.

Bis etwa 1990 kann bilanziert werden: Das Fernsehen ist das Leitmedium der Jugendlichen (wenn auch der Hörfunk nach Nutzungsdauer dominiert), sie schätzen es als glaubwürdigstes Medium und wichtigste Informationsquelle ein, auch für Politik, obwohl das Radio hier eine höhere Kontaktchance hat. In den 90er Jahren werden vor allem die Printmedien, aber auch Video von Jugendlichen deutlich weniger genutzt. Tonträger und das Radio behalten ihre wichtige Position, der Hörfunk nicht zuletzt deshalb, weil jungen Leuten mit der Einrichtung von Jugendwellen altersadäquate Angebote gemacht wurden. Das Fernsehen ist jedoch der Gewinner dieses Jahrzehnts: Seine Nutzung steigt bei den Jugendlichen in ähnlichem Maße an wie in der Gesamtbevölkerung. Der Zuwachs resultiert vor allem aus stärkerer Nutzung zu bislang einschaltschwachen Tageszeiten, nämlich tagsüber und am späteren Abend.

Meistgenutzte Sparte bei den Jugendlichen ist mit 60 Prozent bzw. 55 Prozent sowohl Anfang als auch Ende der 90er Jahre Fiktionales. Verändert haben sich jedoch die Senderpräferenzen; die von Jugendlichen meistgesehenen Spielfilme liefen 1998 - anders als noch 1992 - ausschließlich bei privaten Fernsehsendern. Die Hitlisten der Videoaufzeichnungen offenbaren eine stärkere Hinwendung zu Actionfilmen und Krimis anstelle von Familien- und Unterhaltungsfilmen. Bei den Fernsehserien spiegelt sich die zunehmende Differenzierung der Publika auch unter den Jugendlichen, statt Familien- dominieren Zielgruppenserien. Als Nachrichtenmedium hat das Fernsehen bei den jungen Zuschauern in den 90er Jahren sowohl nach Nutzungsdauer als auch nach Reichweite verloren.

Insgesamt zeigen die Daten eine deutliche Verschiebung der Senderpräferenzen weg von öffentlich-rechtlichen hin zu privaten Anbietern, eine Verschiebung, die unter den Jugendlichen signifikant stärker ist als in der Gesamtbevölkerung. Erzielten die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender 1992 bei den 12- bis 19jährigen noch einen durchschnittlichen Marktanteil von ca. 40 Prozent (Gesamtbevölkerung: 52 %), waren es 1998 nur noch rund 19 Prozent (Gesamtbevölkerung: 43 %).

MP 11/1999, S. 562-576



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