Heft 3

Inge Mohr

Jugendschutz im Fernsehen: Aktuelle Entwicklungen

Medienpolitische Diskussion und empirische Befunde

Im Februar 1999 haben sich die Ministerpräsidenten der Länder in Umsetzung der EU-Fernsehrichtlinie auf eine Ergänzung der bisherigen Jugendschutzvorschriften im Fernsehen geeinigt. Jugendgefährdende Fernsehsendungen, die unverschlüsselt verbreitet werden, müssen durch akustische Zeichen angekündigt oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich gemacht werden. Außerdem sind verschlüsselt ausgestrahlte Sendungen mit einer technischen Sperrmöglichkeit zu versehen. Anders als von den Landesmedienanstalten vorgeschlagen, hält der deutsche Gesetzgeber zusätzliche Sendezeitbeschränkungen nicht für notwendig, sondern die (im Free TV gültigen) Grenzen wurden für das Pay TV gelockert: Beispielsweise dürfen gewaltgeprägte FSK-16-Filme ab 18.00 Uhr gezeigt werden, FSK-18-Filme sind ab 20.00 Uhr zulässig, wobei die technische Vorsperre (PIN-Code) für diese Filme bis 22.00 bzw. 23.00 Uhr gilt. Dies bedeutet eine Kehrtwende beim Jugendschutz im Fernsehen und einen Rückzug des Gesetzgebers aus einer aktiven Rolle im Jugendmedienschutz. Die Verantwortung für den Jugendschutz wird noch stärker als bisher auf die Eltern verlagert, die, wie Studien belegen, oft schon mit der Handhabung entsprechender "Kindersicherungen" überfordert sind.

Nach wie vor wird angenommen, daß Kinder und Jugendliche nur zu bestimmten Zeiten fernsehen und daß Sendungen am späten Abend und in der Nacht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht genutzt werden. Samstag abends befinden sich aber um 22.00 Uhr noch durchschnittlich 1,7 Millionen Kinder von drei bis 13 Jahren vor dem Bildschirm. Aktuelle Sendungsbeispiele zeigen, daß Kinder dieses Alters besonders bei den kommerziellen Programmen FSK-16-Filme sehen, die nicht für sie bestimmt sind.

Außerdem verfügen immer mehr Kinder über ein eigenes Fernsehgerät, und der Fernsehkonsum dieser Kinder ist nicht nur insgesamt höher und weniger vielfältig, sondern dehnt sich auch morgens und in den späten Abendstunden aus. Grundsätzlich kann der Umfang der Fernsehnutzung von Kindern und Jugendlichen vom Gesetzgeber nicht reglementiert werden, da diese Entscheidung in die Erziehungsverantwortung fällt. Vor diesem Hintergrund kommt insbesondere den Fernsehveranstaltern eine erhöhte Verantwortung für ihr Angebot zu.

MP 3/1999, S. 119-127



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