Heft 6

Uli Gleich

Über 50jährige als Zielgruppe für Marketing und Werbung

Argumente für eine differenzierte Ansprache einer vernachlässigten Altersgruppe

Der Anteil älterer Menschen an der bundesdeutschen Bevölkerung wird sich in Zukunft weiter deutlich erhöhen - im Jahr 2040 dürfte nicht mehr wie heute etwa jeder dritte, sondern jeder zweite Deutsche über 50 Jahre alt sein. Die demographischen Veränderungen haben nicht nur gesellschaftliche Relevanz, sie wirken sich auch auf das Wirtschaftsleben aus. Bereits heute zählen Personen ab 50 Jahren zu der Konsumentengruppe mit der höchsten Kaufkraft und zudem einem starken Marken- und Qualitätsbewußtsein. In der Werbe- und Marketingpraxis hat sich diese Tatsache allerdings noch wenig niedergeschlagen. Im Fokus stehen hier weiterhin die Standardzielgruppen zwischen 14 und 49 Jahren, während Menschen ab 50 für die Werbung eine eher undifferenzierte und vernachlässigte Zielgruppe darstellen.

Dabei dürften die Lebensumstände eines 50- und 70jährigen ebenso weit auseinanderliegen wie die eines 20- und 40jährigen - eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Zielgruppe ab 50 Jahren scheint demnach angebracht (und findet in der Forschung zunehmend statt). Als Kriterien für eine Segmentierung werden in einer Vielzahl unterschiedlicher Life-style-Typologien weniger das tatsächliche Alter, sondern zum Beispiel subjektives Empfinden, Werte oder Motivation herangezogen. Durch die Verschlagwortung mit Begriffen wie "Best ager", "Master consumer" oder "Winning generation" geht allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung ein Teil der Differenzierung wieder verloren.

Ältere Zielgruppen zählen zu den intensivsten Nutzern vor allem elektronischer Medien, sie werden demnach - so eine weit verbreitete Auffassung in der Werbung - ohnehin von Werbung auch ohne gezielte Ansprache "quasi kostenlos" erreicht. Weitere Gründe für die Konzentration auf jüngere Zielgruppen liegen in der Angst um ein zu altes Image von Marken, in der Meinung, ältere Menschen seien in ihren Markenbindungen schon zu festgelegt und schlicht im mangelnden Verständnis junger Werbemacher für ältere Jahrgänge. Das Bild älterer Menschen ist eher von Stereotypen geprägt, das sich weitgehend am Defizitmodell des Alterns orientiert. Insgesamt ist wegen der starken Fixierung vor allem der kommerziellen Sender auf ein junges Publikum ein Defizit an Programmen (aber auch an Werbung) auszumachen, die ein älteres Publikum nicht nur erreichen, sondern auch ansprechen. Dabei könnte eine Berücksichtigung von spezifischen Erfordernissen älterer Menschen, auch bereits bei der Produktgestaltung, als Beitrag zu einem insgesamt verbraucherfreundlicherem Marktverhalten gesehen werden.

MP 6/1999, S. 301-311



Zurück zur Übersicht