Heft 7

Udo Michael Krüger/Thomas Zapf-Schramm

Die Boulevardisierungskluft im deutschen Fernsehen

Programmanalyse 2000: ARD, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben im Vergleich

Das Fernsehjahr 2000 war ein Jahr großer internationaler Sportereignisse. In der Programmstruktur machte sich dies bei ARD/Das Erste in einem deutlichen Anstieg des Sportanteils und entsprechend niedrigerem Informationsanteil bemerkbar. Im ZDF verringerte sich das Fictionangebot zugunsten des Sports.

Auf der Ebene der Programmsparten bleiben allerdings die wesentlichen Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Sendern unverändert. ARD/Das Erste und ZDF besitzen ein deutliches Schwergewicht im Bereich der Information, während bei RTL, SAT.1 und ProSieben die Sparte Fiction jeweils an erster Stelle steht. Einige Veränderungen bei den Privaten deuten auf eine weitere Anpassung der Programmstruktur von SAT.1 an diejenige von RTL hin. Bei RTL ist ein Ende des Talkshowbooms erkennbar, der Erfolg der Quizformate und die Mitverwertung von "Big Brother" schlagen sich jedoch in der Programmstruktur des Jahres 2000 nur begrenzt nieder. Deutlich wird eine Tendenz zur Event-Programmierung.

Eine Analyse von nichttagesaktuellen Informationssendungen (ohne Nachrichten und Morgenmagazine) erbrachte interessante Aufschlüsse über die Inhaltsprofile der Sender. Alle untersuchten Sender decken mit ihren Informationssendungen ein breites Themenspektrum ab. Die stärksten Unterschiede zeigen sich in den Kategorien Politik und Boulevardthemen: Rund 90 Prozent des nichttagesaktuellen Angebots zu Themen aus Politik und Wirtschaft stammen von ARD und ZDF. Bei RTL, SAT.1 und ProSieben liegt dieser Anteil zwischen 2 und 4 Prozent. Dagegen erreichten Boulevardthemen bei den privaten Sendern Anteile zwischen 31 und 47 Prozent. Ein Vergleich der Themen in 39 Sendereihen bestätigte diese "Boulevardisierungskluft" zwischen ARD/ZDF und den Privaten.

Insgesamt belegen die Ergebnisse erneut, dass von einer funktionalen Gleichgewichtigkeit von öffentlich-rechtlichen und privaten Vollprogrammen keine Rede sein kann. Dies gilt auch in Jahren, die stark geprägt sind von Sport- und anderen Ereignissen. Analysen auf Themen- und Beitragsebene bestätigen dabei die Befunde auf der Ebene der Programmstrukturen.

MP 7/2001, S. 326-344



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