Heft 10

Gerd Hallenberger

Eurofiction 2000: Angebotsstruktur und inhaltliche Trends

Erstausgestrahlte einheimische fiktionale Fernsehproduktionen in Deutschland

Bezogen auf die wesentlichen Faktoren, die den Umfang des Fernsehprogrammangebots in einem Land bestimmen, hat Deutschland die besten Voraussetzungen aller in der kontinuierlichen Studie Eurofiction seit 1996 erfassten europäischen Länder: Sowohl von der Einwohnerzahl und dem Wirtschaftspotenzial her als auch in Bezug auf den Entwicklungsstand der audiovisuellen Produktionsindustrie und der technischen Infrastruktur besteht eine günstige Basis für die Produktion fiktionaler Programme. Nicht überraschend nahm Deutschland daher auch im Jahr 2000 die führende Position bei der Anzahl erstausgestrahlter Produktionen, der Anzahl der Sendungen sowie der kumulierten Sendedauer ein. Es folgten mit einigem Abstand Frankreich und Großbritannien.

ARD und RTL waren im Jahr 2000 die Fernsehsender in Deutschland mit dem größten Fictionangebot nach kumulierter Sendelänge und Zahl der Einzelsendungen, vor ZDF, SAT.1 und ProSieben. Das ZDF war führend bei der Zahl der Produktionen. Unter den "kleineren" Sendern taten sich fast ausschließlich öffentlich-rechtliche (die Dritten Programme der ARD, Arte und der Kinderkanal) mit Fictionproduktionen hervor. Im Hinblick auf die verschiedenen Sendungsformate zeigten ARD, ZDF, RTL und SAT.1 einen größeren Formatmix, Einzelstücke machen dabei 50 bis 60 Prozent aller Produktionen aus. Öffentlich-rechtliche Sender strahlen erheblich mehr Fernsehfilme bzw. TV-Movies aus. Insgesamt wurden im Jahr 2000 Produktionen in 41 verschiedenen Genres registriert. Daily Soaps und Krimis stellen knapp die Hälfte des Angebots. Es dominieren weiterhin bei allen Sendern die nationalen Produktionen (rund 80 % der Erstausstrahlungen), ebenfalls als einheimisch gezählte internationale Koproduktionen spielen nur eine geringe Rolle.

Die inhaltsbezogene Analyse bestätigte Ergebnisse der Vorjahre, wonach das Fictionangebot im deutschen Fernsehen ganz überwiegend um Nähe zum Alltag bemüht ist. Fiktionale Fernsehsendungen spielten im Jahr 2000 überwiegend in der Gegenwart (98,5 % aller Einzelsendungen), der Handlungsort war Deutschland (87,2 %), bevorzugt waren Großstädte (77,5 %), die Handlungsträger waren zumeist gemischtgeschlechtlich zusammengesetzte Gruppen (76,0 %). Am beliebtesten bei den Zuschauern sind weiterhin Produktionen aus dem Bereich Crime/Action.

Trotz der wachsenden Bedeutung neuer oder wiederentdeckter Genres wie Real-Life-Soaps oder Quiz bleibt das "altmodische" Genre einheimische Fiction ein beständig erfolgreiches Angebot des Alltagsmediums Fernsehen.

MP 10/2001, S. 494-504



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