Heft 3

Klaus-Ernst Behne

Musik-Erleben: Abnutzung durch Überangebot?

Eine Analyse empirischer Studien zum Musikhören Jugendlicher

Die Intensität des Musik-Erlebens hat bei Jugendlichen in den 90er Jahren abgenommen. Dies ist das Ergebnis einer empirischen Längsschnittstudie sowie einer Meta-Analyse, die an der Hochschule für Musik und Theater Hannover durchgeführt wurden. Da Musik im Alltag immer allgegenwärtiger wird -- bis hin zur Medienpräsenz in Kinderzimmern --, lernen wir, Musik nicht zu beachten, also wegzuhören. Diese Schutzfunktion ist einerseits positiv zu bewerten, andererseits entwickelt sich jedoch zugleich die Erlebnisintensität für bestimmte Komponenten des Musik-Erlebens eher rückläufig. So hat Musik bei Jugendlichen zwar nach wie vor eine hohe Bedeutung, sie dient aber in erster Linie als Klangtapete, das heißt sie wird als Hintergrundmusik gehört.

Die erwähnte Längsschnittstudie der Jahre 1991 bis 1997 zeigte außerdem, dass Jugendliche ihre Identität in einer extrem diversifizierten Musikkultur finden, das heißt einen sehr differenzierten Musikgeschmack besitzen. Dies ist nicht vereinbar mit der Vorstellung vieler Erwachsener, es gebe lediglich eine mainstream-orientierte, charts-hörige musikalische Jugendkultur.

Die Verwendung von Musik als Hintergrundmusik steigt mit dem Alter der Jugendlichen an, sodass die vorpubertäre Intensität des Musik-Erlebens meistens verloren geht. Seit den 80er Jahren lernen die Jugendlichen zudem verstärkt, nicht hinzuhören. Offensichtlich hat die zunehmende Verfügbarkeit von Medien eine globale musikalische Gewöhnung zur Folge. Möglicherweise wirken sich aber diese medialen Gewöhnungsprozesse auf die Intensität der Musikzuwendung aus.

Es stellt sich die Frage, ob die geschilderten Prozesse noch umkehrbar sind bzw. ob Menschen wieder stärker für Musik sensibilisiert werden können. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich der Verein Zuhören mit der Frage, ob die Kunst des Zuhörens, nachdem das Radio heute größtenteils ein Begleitmedium ist, entsprechender Förderung bedarf. Hierzu wäre konzentriertes Zuhören als eine spezielle Kulturtechnik zu begreifen, die eigens erlernt werden muss.

MP 3/2001, S. 142-148



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