Heft 12

Dieter K. Müller

ARD und ZDF als Werbeträger nach 20.00 Uhr

Wahlwerbung im Fernsehen

Parteien nutzen in Wahlkämpfen die Medien, um ihre Botschaften zu transportieren. Das Fernsehen muss ihnen dafür angemessene Sendezeit einräumen. In den vier Wochen vor der Bundestagswahl 2002 (26.8. - 20.9) wurden bei den acht Sendern ARD/Das Erste, ZDF, RTL, RTL II, VOX, SAT.1, ProSieben und Kabel 1 insgesamt 428 Wahlwerbespots mit einer Gesamtdauer von 427 Minuten ausgestrahlt. Die Dauer der Wahlwerbung war bei ARD/Das Erste und ZDF mit 225 Minuten (123 Spots) höher als bei den sechs Privatsendern (202 Minuten, 305 Spots). In der Zeit nach 20.00 Uhr wurden auf den beiden öffentlich-rechtlichen Kanälen insgesamt 124 Minuten Wahlwerbung gesendet. Bei den Privatsendern entfielen auf die Zeit nach 20.00 Uhr insgesamt 100 Minuten Wahlwerbung.

Wie effizient war die Wahlwerbung insbesondere beim Ersten und dem ZDF, wo sonst am Abend nicht geworben werden darf? Welche Zielgruppen wurden erreicht? 36 Millionen Wahlberechtigte sahen zwischen 20.00 und 23.00 Uhr mindestens einen Wahlwerbespot, im Durchschnitt wurden 4,4 Spots von jedem erreichten Wahlberechtigten gesehen. Dies entspricht, müsste die Wahlwerbung zu den üblichen Tausendkontaktpreisen bezahlt werden, einem Mediawert von rund 8,2 Mio Euro für die Wahlwerbung nach 20.00 Uhr in den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen.

Die Parteien erreichten bei ARD/Das Erste und ZDF nach 20.00 Uhr Premiumzielgruppen, das heißt, es wurden im Vergleich mit den bei den Privatsendern erreichten Zielgruppen Personen mit höherer Bildung, überdurchschnittlichem Einkommen, Entscheider und Meinungsbildner deutlich besser erreicht. Auch Politikinteressierte wurden überdurchschnittlich angesprochen. Diese Unterschiede in der Zielgruppenstruktur zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sind keine wahlkampfbedingten Besonderheiten, sondern entsprechen dem typischen Publikum der Sender. Werbung nach 20.00 Uhr bei ARD und ZDF, die den Parteien erlaubt, der Wirtschaft aber verboten ist, könnte den Werbungtreibenden am Abend interessante, sonst nicht erreichbare Zielgruppen bieten.

MP 12/2002, S. 623-628



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