Heft 12

Ursula Dehm

Fernsehduelle im Urteil der Zuschauer

Eine Befragung des ZDF zu einem neuen Sendungsformat bei der Bundestagswahl 2002

Schlagworte wie Medienwahlkampf und Amerikanisierung prägten (wieder einmal) die öffentliche Debatte um den Bundestagswahlkampf 2002. Im Zentrum des Interesses standen dieses Mal die erstmals ausgetragenen "Fernsehduelle" zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber. Die beiden von ARD/ZDF bzw. RTL/SAT.1 übertragenen Debatten erreichten jeweils mehr Zuschauer als jede andere Sendung zur Bundestagswahl.

Das ZDF führte direkt im Anschluss an jedes der beiden Fernsehduelle eine Zuschauerbefragung durch. Trotz der großen Aufmerksamkeit war die Resonanz auf das neue Sendungsformat Fernsehduell durchaus zwiespältig. Die Moderatoren und Moderatorinnen kamen in der Bewertung durch die Zuschauer beispielsweise besser weg als die Sendungen selbst. Die meisten Zuschauer störten sich vor allem an den starren Regeln der Fernsehduelle, die wenig Spontaneität und Dynamik in der Debatte zuließen. Die Eigenschaftsprofile für beide Sendungen sind vergleichsweise ausdrucksschwach, nur wenige Zuschauer konnten aus den Debatten neue Erkenntnisse gewinnen. In Ostdeutschland kamen die Fernsehduelle besser an als im Westen. Deutlich ist insgesamt der Bewertungsvorsprung des zweiten, von ARD und ZDF übertragenen Duells gegenüber dem ersten, bei RTL und SAT.1 übertragenen.

Spekulationen über eine möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung der Fernsehduelle geben die Befragungsergebnisse wenig Nahrung: Je nach (vor den Sendungen geäußerter) Präferenz für einen der beiden Kandidaten sahen die meisten Zuschauer auch die Fernsehduelle unterschiedlich. Stoiber-Anhänger hielten eher das erste Duell, in dem sie "ihren" Kandidaten vorn sahen, für interessanter, während umgekehrt die Schröder-Anhänger das zweite Duell, in dem Schröder mehr punkten konnte, als besser ansahen. Die Meinungen zu den Kandidaten haben sich bei deren Anhängern durch die Fernsehduelle nur sehr geringfügig verändert.

MP 12/2002, S. 600-609



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