Heft 1

Dieter K. Müller

Nutzungsmessung des Radios: Uhr oder Ohr?

Erfüllen Radiometersysteme die Anforderungen an die Erhebung der Hörfunknutzung?

Wer hört welchen Radiosender zu welcher Zeit? Diese Kernfrage der Radionutzungsforschung wird derzeit mit Daten der Media Analyse (MA) der AG.MA beantwortet, die durch computergestützte Telefoninterviews erhoben werden. Ob die MA die Erhebungsmethode für Hörfunk bleiben wird, wird seit längerem unter dem Stichwort Radiometersysteme diskutiert, sogenannte passive elektronische Messinstrumente, die analog zum Fernsehen die Radionutzung erfassen sollen. Derzeit haben zwei Anbieter serienreife Geräte entwickelt, das Schweizer System Radiocontrol in Form einer Uhr (mit der im übrigen seit Januar 2001 in der Schweiz die Radionutzung erhoben wird) sowie das Portable People Meter in der Größe eines Pagers vom amerikanischen Marktforschungsinstitut Arbitron. Beide Systeme funktionieren nach dem Prinzip des Audioabgleichs (Audiomatching-Verfahren).

Können Radiometersysteme die Hörfunknutzung exakt abbilden? Probleme ergeben sich u.a. aus der deutschen Radiolandschaft. Wenn - wie bei zahlreichen kommerziellen Lokalradios - mehrere Sender dasselbe Mantelprogramm ausstrahlen, können Audiomatching-Verfahren nur Programminhalte identifizieren, also nur das Mantelprogramm, nicht den übernehmenden Sender. Dasselbe gilt, wenn Sender ihre Programme beispielsweise nachts zusammenzuschalten. Ebenso wenig können Radiometer Auskunft geben über den Nutzungsort (im Haus, im Auto), auch nicht über neben dem Radiohören ausgeführte Tätigkeiten und über die Nutzung konkurrierender Medien - Daten, die die MA im Rahmen der Tagesablauferhebung ermittelt.

In der MA-Erhebung ist Radionutzung das, was die Befragten als solche definieren, weil sie sich daran erinnern. Radiometer messen jedoch auch, wenn dem Nutzer gar nicht bewusst ist, das ein Radio eingeschaltet ist. Umgekehrt erfassen sie eine bewusste Nutzung vielleicht nicht, beispielsweise wenn Kleidung das Gerät verdeckt.

Mit Kostenersparnissen aufgrund kleinerer Stichproben kann auch bei einer Umstellung auf Radiometersysteme nicht gerechnet werden, ist doch die exakte Marktabbildung zentrales Qualitätskriterium der Nutzungserhebung. Wenn wie derzeit in der MA auch kleine Sender mit Daten ausweisbar sein sollen, werden auch Radiometer im vielfältigen, dazu regional unterschiedlichen Hörfunkmarkt nicht mit einer geringeren Stichprobe auskommen. Alles in allem bleibt, so der Autor, bei den derzeitigen Radiometersystemen offen, inwieweit sie das messen können, was sie zu messen vorgeben, nämlich die Radionutzung in einer repräsentativen Marktabbildung.

MP 1/2002, S. 2-8



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