Heft 6

Christoph Bieber

Online-Wahlkampf 2002

Formate und Inhalte in der digitalen Politikarena

Der Bundestagswahlkampf 2002 wird, besonders in seiner letzten Phase, durch eine deutliche Intensivierung der politischen Kommunikation im Internet gekennzeichnet sein. Die Wahlkampfstrategen haben inzwischen das vielfältige Potenzial des Online-Campaigning erkannt und versuchen, die Internetkommunikation bereits relativ langfristig in die jeweiligen Wahlkampfphasen einzugliedern. Vorbild ist nicht zuletzt der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf 2000.

Die deutschen Bundestagsparteien konnten bereits im Wahljahr 1998 Erfahrungen mit dem Einsatz des Internets sammeln, dieses Mal werden einige neue Qualitäten im Online-Wahlkampf zu beobachten sein: Die verschiedenen Plattformen werden unter anderem für die Gegnerbeobachtung, für "negatives Campaigning", aber erstmals auch für die Spendensammlung eingesetzt. Eng angedockt an die jeweiligen Virtuellen Parteizentralen gewinnen die speziellen Wahlkampfplattformen mit Fortschreiten des Wahlkampfs zunehmend an Eigenständigkeit gegenüber den allgemeinen Web-Präsenzen der Parteien. Insbesondere die Domains der Spitzenkandidaten werden eine wichtige Rolle übernehmen.

Die Onlineangebote von politischen Bildungsträgern, von unabhängigen Organisationen und vor allem von etablierten Onlinemedien werden helfen, Orientierung in dem zunehmend unübersichtlicher werdenden Online-Wahlkampf zu bekommen. Durch Verkoppelung analoger und digitaler Informationen (etwa bei den großen Printmedien) werden traditionelle und innovative Formen der Wahlkampfberichterstattung ineinander fließen. Bei den unabhängigen Websites ist eine zunehmende Professionalisierung zu beobachten. Inhaltlich ist das Internet dabei weiterhin ein Experimentierfeld. Die online behandelten Themen werden weitgehend mit denen in den traditionellen Medien übereinstimmen, doch dürften die Online-Wahlkampfseiten auch das Potenzial für Agenda-Setting haben, besonders in dem Medium naheliegenden Bereichen wie Datenschutz, Informationsfreiheit, Urheberrecht und ähnlichem.

Insgesamt wird jedoch auch 2002 der Fernsehwahlkampf dominieren, das Internet wird vor allem seine Qualitäten als Komplementärmedium demonstrieren. In der Gestaltung von Zwischenräumen und Nischen - neben den etablierten Massenmedien - liegt für die Wahlkampfakteure wie für die interessierten Bürger die Chance zu einer Digitalisierung und Modernisierung des Wahlkampfs.

MP 6/2002, S. 277-283



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