Heft 1

Katharina Kuchenbuch

Die Fernsehnutzung von Kindern aus verschiedenen Herkunftsmilieus

Eine Analyse anhand des Sinus-Milieu-Modells

Die Studie untersucht, inwieweit die Milieuzugehörigkeit der Eltern Einfluss auf die Fernsehgewohnheiten ihrer Kinder nimmt. Die Analyse erfolgt anhand des Sinus-Milieu-Modells, das Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln und vergleichbare Wertprioritäten haben, in zwölf soziale Milieus zusammenfasst. Seit Januar 2000 ist es möglich, die Fernsehnutzung von Erwachsenen ab 14 Jahre im AGF/GfK-Fernsehpanel nach Sinus-Milieus differenziert auszuweisen. Um den Einfluss des häuslichen Milieus zu ermitteln, wurde die Milieuzugehörigkeit der Haushaltsvorstände ermittelt und die zugehörigen Kinder jeweils ihrem Haushaltsvorstand, also im Regelfall der Mutter oder dem Vater, zugeordnet.

Die Analyse zeigt, dass sich das Fernsehverhalten von Kindern und Erwachsenen derselben Sinus-Milieus ähnelt. Hoher Fernsehkonsum der Eltern geht einher mit hohem Fernsehkonsum der Kinder, und Kinder aus Unterschichtmilieus sehen deutlich mehr fern als Mittel- und Oberschichtkinder. Bei den Sendervorlieben zeigt sich: Kinder aus dem intellektuellen, dem etablierten, dem statusorientierten und dem traditionell bürgerlichen Milieu sehen wie ihre Eltern überdurchschnittlich stark öffentlich-rechtliche Programme, die Nutzung der großen Privatsender RTL, SAT.1 und ProSieben verteilt sich relativ gleichmäßig über alle Milieus, während die kleinen Privatsender wie Super RTL und RTL II von Kindern aus modernen Unter- und Mittelschichtmilieus bevorzugt werden. Vielsehende Kinder von Zeichentrickangeboten kleiner Privatsender gibt es vor allem im hedonistischen Milieu, das die an Fun und Action orientierte junge Unterschicht mit kleinen bis mittleren Einkommen umfasst. Den Gegenpol dazu bilden wenigsehende Kinder von öffentlich-rechtlichen Kinderprogrammen, die sich vor allem im intellektuellen Milieu finden.

In der Studie wurde auch ermittelt, ob Kinder eher allein oder gemeinsam mit der Familie fernsehen. Es zeigt sich, dass Kinder aus niedrigen und mittleren sozialen Lagen viel Zeit mit Erwachsenen vor dem Bildschirm verbringen. Möglicherweise schafft Fernsehen in diesen weniger aktiven Milieus einen Rahmen für familiäres Erleben. Am wenigsten sehen Kinder aus dem postmodernen (an Selbstbestimmung orientierten) Milieu mit Erwachsenen fern, während Intellektuelle durchschnittlich häufig mit ihren Kindern zusammen fernsehen.
Die Ergebnisse stützen insgesamt die Annahme, dass Fernsehen in Familien erlernt wird und milieuspezifische Unterschiede im Fernsehverhalten von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.

MP 1/2003, S. 2-11



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