Heft 11

Gianpietro Mazzoleni

Medienpluralismus in Italien zwischen Politik und Marktwettbewerb

Berlusconis Mediengesetz löst keines der Strukturprobleme

Die Kontroverse um den Mediengesetzentwurf der Regierung Berlusconi im Sommer 2003 stellte einen neuen Höhepunkt in der konfliktreichen Geschichte der italienischen Medienpolitik dar. Angefangen von der Phase des unregulierten Aufbaus des privaten Fernsehens in den 70er und 80er Jahren, über die Zeit der Konsolidierung des "Duopols" von öffentlich-rechtlicher RAI und der Berlusconi-Holding Mediaset bis hin zu den aktuellen Diskussionen über Pay-TV, digitales Fernsehen und neue Dienste war die Medienentwicklung in Italien gekennzeichnet von einem hohen Grad der Politisierung. Seitdem Silvio Berlusconi, Besitzer des größten privaten Fernsehunternehmens, auch (zum zweiten Mal) das Amt des Regierungschefs ausübt, hat sich die Verkoppelung von Politik und Fernsehen in besonderer Weise zugespitzt.

Der aktuelle Gesetzentwurf wird von der Regierung Berlusconi als Lösung für einige der dringendsten Strukturprobleme in den Medien Italiens präsentiert. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Gesetz den bestehenden Status Quo kaum verändern, vor allem jedoch dem weiteren Ausbau der marktbeherrschenden Stellung von Berlusconis Medienunternehmen keine Hindernisse in den Weg legen dürfte. Die Chancen für eine Reform der öffentlich-rechtlichen RAI werden ebenfalls nicht hoch eingeschätzt. Unter anderem wird seit vielen Jahren eine (Teil-)Privatisierung der RAI diskutiert, die sie aus der politischen Umklammerung lösen und es ihr ermöglichen würde, ihren öffentlichen Auftrag unabhängiger und effektiver zu erfüllen. Bei einer Fortschreibung der gegenwärtigen Verhältnisse liefe die RAI Gefahr, endgültig gegenüber Berlusconis Mediaset zurückzufallen.

Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt und des Meinungspluralismus werden Medienstruktur und Medienpolitik in Italien als dringend reformbedürftig angesehen. Obwohl weitgehend Konsens in der italienischen Öffentlichkeit über die normative Bedeutung der Medienvielfalt besteht, sind entsprechende legislative Anstrengungen immer wieder an inneren Widersprüchen und starkem Widerstand in Parteien und Lobbys gescheitert. Die sowohl für Medien als auch Telekommunikation zuständige Aufsichtsbehörde AGCom verfügt nicht über ausreichende Instrumente, um wirksam für den Pluralismus eingreifen zu können. Auch die von der Regierung als Heilmittel beschworene Einführung der digitalen Technik wird über kurze und mittlere Sicht keine einschneidende Verbesserung der Situation herbeiführen.

MP 11/2003, S. 517-529



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