Heft 5

Ekkehardt Oehmichen

Nutzerstrukturen und Hörerpotenzial des Hörbuchs

Nur Konkurrenz oder auch Chance für das Radio?

Kann das Radio vom Erfolg des Hörbuchs in den letzten Jahren profitieren? Könnte es eine Renaissance der Radiohörspielkultur geben, weil das Hörbuch neue Publika für das Hörspiel interessiert? Oder zieht das Hörbuch eher Hörer von Lesungen und Hörspielen aller Art aus dem Radio ab? Zwei Repräsentativstudien, die 1996 und im Dezember 2002 in Hessen durchgeführt wurden, belegen wichtige Trends, können aber die Kernfrage über die Zukunft des Hörspiels im Radio noch nicht endgültig klären.

Die vorliegenden Daten zur Bekanntheit und Nutzung von Hörspielen und Lesungen im Radio sowie von Hörbüchern zeigen eine starke Dynamik an: Während noch 1996 rund 69 Prozent der radiohörenden Erwachsenen mindestens einmal ein Hörspiel oder eine Lesung im Radio gehört hatten, waren es im Jahr 2002 nur noch 45 Prozent, die entsprechende Angaben machten. Die Monatsreichweite für Hörspiel und Lesung im Radio sank im gleichen Zeitraum von 14,3 auf 6,8 Prozent. Das Hörbuch nahm dagegen eine positive Entwicklung. Seine Bekanntheit stieg zwischen 1996 und 2002 von 13 auf 30 Prozent, die monatliche Reichweite unter erwachsenen Radiohörern von 4,4 auf 9,4 Prozent.

Eine Analyse der Nutzerstruktur von Hörspiel/Lesung im Radio und Hörbuch zeigt, dass sich die Nutzer beider Mediengattungen noch weitgehend aus den gleichen demographischen Gruppen und Lebensmilieus rekrutieren. Das Hörbuch weitet jedoch tendenziell sein Publikum aus. In Zukunft ergeben sich Chancen für das Radio, an der Hörbuchkonjunktur teilzuhaben und - eventuell über veränderter Formate - durch das Hörbuch neu hinzugewonnene Publika ebenfalls anzusprechen.

Einem wesentlichen Vorteil des Hörbuchs kann das Radio jedoch nur wenig entgegensetzen: der größeren zeitlichen Flexibilität und Ortsungebundenheit. Diese entsprechen in großem Maße den wachsenden Ansprüchen des Publikums nach Zeit- und Ortssouveränität bei der Mediennutzung. Für den Rundfunk kommt es in Zukunft daher darauf an, die Zugangsmöglichkeiten zu Hörspielen, Lesungen und andere Zuhörangebote des Radios zu verbessern, nicht zuletzt mithilfe des Internets.

MP 5/2003, S. 238-246



Zurück zur Übersicht