Heft 9

Ursula Dehm/Dieter Storll

TV-Erlebnisfaktoren

Ein ganzheitlicher Forschungsansatz zur Rezeption unterhaltender und informierender Fernsehangebote

Welche Faktoren bestimmen Auswahl und Rezeption von Fernsehangeboten? Antworten darauf sind für Programmplanung und -konzeption heute von zentraler Bedeutung. Den Ergebnissen der vorliegenden Studie zufolge liegen den Erwartungen der Zuschauer an ein positives Fernseherlebnis fünf zentrale Erlebnisfaktoren zugrunde: Emotionalität, Orientierung, Ausgleich, Zeitvertreib und Soziales Erleben. Diese Faktoren spielen unabhängig davon eine Rolle, ob es sich aus Zuschauersicht um unterhaltende oder informierende Programmangebote handelt.

Der Faktor Emotionalität wird bestimmt durch die Merkmale Spaß und Entspannung, Spannung und Abwechslung. Zum Faktor Orientierung zählen Anregungen und Stoff zum Nachdenken und zur Meinungsbildung, neue Informationen und Lernmöglichkeiten sowie Gesprächsstoff. Unter Ausgleich sind beruhigende und ablenkende TV-Erlebnismöglichkeiten zu verstehen. Der Faktor Zeitvertreib meint vor allem Fernsehen aus Gewohnheit und als Angebot zur Vertreibung von Langeweile. Zum Sozialen Erleben gehören insbesondere Zugehörigkeits- und Teilhabemöglichkeiten.

Diese TV-Erlebnisfaktoren wurden in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt. In einer Vorstudie wurden freie Assoziationen zum TV-Erleben am Beispiel Unterhaltung erfragt und systematisiert. In einer zweiten Phase wurden in drei verschiedenen Stichproben (für Sendungen, von denen man sich gut unterhalten fühlt; Sendungen, von denen man sich gut informiert fühlt, sowie Sendungen, die einem gut gefallen) die TV-Erlebnisfaktoren identifiziert, die schließlich in einer dritten Phase auf konkrete Fernsehsendungen Anwendung finden. Wichtigstes Ergebnis der Studie ist die Bestätigung der Annahme, dass bestimmte Fernseherlebnisweisen unabhängig von der Heterogenität des Publikums und der Heterogenität der Genres vorliegen. Sie können insofern als übergreifende Erlebnisfaktoren betrachtet werden, auch wenn es natürlich Differenzierungen gibt: Emotionales Erleben spielt bei unterhaltenden Sendungen eine größere Rolle als bei informierenden, umgekehrt ist es beim Erlebnisfaktor Orientierung. Unterschiede ergeben sich auch nach Alter der Zuschauer: Jüngere erleben Fernsehen stärker als Ausgleich und Zeitvertreib, Ältere hingegen als Orientierung. Ferner beeinflussen beispielsweise der Bildungsgrad und die Fernsehhäufigkeit die Intensität des Fernseherlebens. 
 

MP 9/2003, S. 425-433



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