Heft 12

Horst Stipp

Die Fernsehentwicklung in den USA - 10 Jahre danach

Was aus einer Prognose aus dem Jahr 1994 wurde

Im August 1994 legte der Autor in Media Perspektiven eine Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des Fernsehens in den kommenden zehn Jahren vor. Diese Prognose unterschied sich in wichtigen Punkten von vielen anderen Voraussagen der damaligen Zeit. Im Gegensatz zu den damals häufig zu vernehmenden Erwartungen, dass das Fernsehen Teil eines "Electronic Superhighway" werden würde, der sich hauptsächlich auf den PC stützen und dessen Charakteristikum die "interaktive" Nutzung durch den Zuschauer sein würde, beruhte die Prognose von 1994 auf der Annahme, dass wesentliche Elemente des gewachsenen Fernsehsystems auf absehbare Zeit ihre Gültigkeit behalten und Veränderungen im Nutzerverhalten daher eher graduell vonstatten gehen würden.

Nach Ablauf der zehnjährigen Frist erweist sich nun, dass diese vorsichtige Prognose im Wesentlichen richtig war, vor allem weil sie in erster Linie von den Einstellungen und Bedürfnissen der Mediennutzer ausging und nicht allein von den technischen Möglichkeiten, die zweifellos durch die Digitalisierung gegeben waren. So zeigte sich beispielsweise, dass zwar der Anteil der Kabel- und Satellitenhaushalte in den USA auf etwa 85 Prozent gestiegen, die Zahl der verfügbaren Fernsehkanäle in diesen Haushalten ebenfalls drastisch gewachsen ist, die Nutzung des Fernsehgeräts sich aber weiterhin vor allem auf "konventionelles" Fernsehen konzentriert und der Anteil der Pay-TV-Angebote sowie der neuen Dienste an der Nutzung relativ gering geblieben ist. Stärker als vorausgesagt hat sich in den USA die Nutzung des DVD-Players entwickelt. Der Marktanteil der großen Networks ist gegenüber den Kabelkanälen schneller gesunken als erwartet. Kaum vorauszusehen war im Jahr 1994 die große Bedeutung, die der elektronische Programmführer (EPG) inzwischen als zentrale Nahtstelle zwischen digitalen Fernsehangeboten und den Nutzern erlangt hat.

Es bestätigt sich damit die Erkenntnis, dass Prognosen im Medienbereich auf den Interessen der Nutzer und Konsumenten aufsetzen müssen und nicht auf technikdeterminierten Modellen. In der mittleren Sicht dürfte das breitbandige Internet zumindest in den USA eine stärkere Rolle spielen; außerdem ist ein Anstieg des "Multi-tasking", der gleichzeitigen Nutzung verschiedener Medien zu erwarten. Die Nutzerinteressen ändern sich jedoch relativ langsam, weshalb in den USA auch der analoge Switch-off von 2006 auf 2009 verschoben wurde. Prognosen für die kommenden zehn Jahre sollte man daher skeptisch gegenüberstehen.

MP 12/2004, S. 569-575



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