Heft 11

Ingrid M. Haas

Digitale Zukunft und die Auswirkung auf Programmkosten

Die Sicht eines privaten Programmanbieters

Die Digitalisierung wird nicht von der Technologie getrieben, sondern von den Inhalten. Wirft man einen Blick auf die Digitalisierung der Fernsehhaushalte in Europa, so liegt Großbritannien mit 54 Prozent an der Spitze, und Deutschland ist mit 14 Prozent weit abgeschlagen. Der Grund hierfür liegt vor allem in der unterschiedlichen Ausgangssituation in der analogen Welt. Denn in Deutschland können schon jetzt 93 Prozent der Haushalte fünf und mehr Programme empfangen (sog. Multi-channel-Haushalte), in Großbritannien sind es 52 Prozent und in Frankreich gar nur 26 Prozent. In Deutschland ist der analoge Fernsehmarkt bereits stark fragmentiert, sodass es nur geringe Möglichkeiten für zusätzliche Inhalte im Digital-TV gibt, die außerdem kaum durch Werbung finanzierbar wären. Ein Problem für die Privatsender stellt auch das große Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender dar, insbesondere die Dritten Programme, die sich als Vollprogramme entwickelt haben.

Um alle Werbekunden halten zu können, verfolgen die Privatsender das Ziel, die technische Reichweite im Digital-TV zu sichern, das heißt, beim Übergang von analog zu digital keine Reichweite zu verlieren. Das zweite Ziel besteht darin, die Programme und die Marken zu schützen, wobei insbesondere die Auffindbarkeit der Programme in den elektronischen Programmführern von Bedeutung ist. Dies gilt nicht nur für den Marktführer RTL, sondern auch für kleinere und eher zielgruppenspezifische Programme wie VOX. Mit der Teilnahme am terrestrischen Digitalfernsehen (DVB-T) versuchen die Privatsender, ein Gegengewicht zur Monopolbildung in den beiden anderen Verbreitungswegen (Kabel und Satellit) zu bilden. So hat sich RTL auch gegen die geplante Fusion im Kabelmarkt ausgesprochen.

Die Bereitschaft der Zuschauer, zusätzlich für Fernsehinhalte zu bezahlen, wird sich auf Angebote beschränken, die einen klaren Mehrwert und echte neue Möglichkeiten bieten. Hierzu gehört zum Beispiel Interaktivität. Digitale Festplattenrekorder, mit denen man Werbung überspringen kann, sind nüchtern zu beurteilen. Denn es ist durchaus fraglich, ob alle Zuschauer diese Funktion nutzen werden, da viele Menschen nach wie vor den zeitnahen Fernsehkonsum vorziehen. Auch HDTV wird nicht zuletzt aufgrund der hohen Qualität des deutschen PAL-Systems noch auf sich warten lassen.

MP 11/2004, S. 524-528



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