Heft 2

Andrew Graham

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Demokratie

Lektionen aus der aktuellen Krise der BBC

Das traditionsreiche britische Rundfunkunternehmen BBC befindet sich in einer der schwersten Krisen seiner Geschichte. Unmittelbarer Auslöser ist die Affäre um den BBC-Reporter Andrew Gilligan, der die britische Regierung im März 2003 wegen angeblich aufgebauschter Berichte über Massenvernichtungswaffen im Irak angegriffen hatte. In einem im Januar 2004 von dem Richter Lord Hutton verfassten Bericht wurden der BBC in diesem Zusammenhang massive Versäumnisse vorgeworfen. Die britische Regierung wurde im Hutton-Bericht im Wesentlichen entlastet. Daraufhin traten sowohl der Generaldirektor als auch der Vorsitzende des Board of Governors der BBC zurück. Der Hutton-Bericht selbst wurde in der britischen Öffentlichkeit als einseitig kritisiert.

Die Gilligan-Affäre ist im Kontext der seit längerem andauernden Spannungen zwischen der BBC und der britischen Regierung über die Irak-Berichterstattung des Senders zu sehen. Die aktuelle Krise wird für die BBC dadurch verschärft, dass sie die Vorbereitungen für die Erneuerung der BBC-Charter im Jahr 2006 zu beeinflussen beginnt. In- und außerhalb der Regierung werden Überlegungen angestellt, die die Gebührenfinanzierung, die Aufsichtsstruktur und den Programmauftrag der BBC in der Zukunft in Frage stellen.

Vernachlässigt wird dabei in der gegenwärtigen Debatte der grundlegende Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Funktionieren moderner Demokratien. Zu gering wird der "Wert" eines nicht dem Markt unterworfenen Rundfunkanbieters eingeschätzt. In der Betrachtung sollte dagegen der Bürger im Zentrum stehen, der ein Recht auf Information und Teilhabe an der öffentlichen Debatte hat. Dieses kann letztlich nicht vom Markt, sondern nur von einem starken öffentlich-rechtlichen Anbieter gewährleistet werden.

Belege für ein Marktversagen bei der Versorgung mit zuverlässiger Information liefern beispielsweise Forschungsergebnisse aus den USA, die gravierende Informationsdefizite bei regelmäßigen Zuschauern des kommerziellen Senders Fox TV konstatierten, der zum Murdoch-Konzern gehört. Die BBC-Berichterstattung zum Irak hat dagegen insgesamt ein vielfältiges Meinungsbild vermittelt. Eine Beschneidung des Programmauftrags oder eine Unterordnung der BBC unter die neue Aufsichtsbehörde Ofcom, die seit Dezember 2003 sowohl für privates Radio und Fernsehen als auch für Telekommunikation und Frequenzverwaltung zuständig ist, wären die falschen Lösungen der gegenwärtigen Krise. Die BBC wird auch in Zukunft für ein breites, qualitativ hochstehendes Programmangebot gebraucht.

MP 2/2004, S. 95-101



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