Heft 10

Caroline Pauwels/Jan Loisen

Von GATT zu GATS und darüber hinaus

Die Bedeutung der WTO für die audiovisuelle Politik

Seit in der so genannten Uruguay-Runde der Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO das Übereinkommen GATS zum internationalen Handel mit Dienstleistungen beschlossen wurde, gerät auch der audiovisuelle Sektor, vor allem Film und Fernsehen, stärker in das Blickfeld der globalen Handelspolitik. Den Europäern unter Führung Frankreichs war es seinerzeit nicht gelungen, eine generelle Ausnahmeregelung für den Kulturbereich ("exception culturelle") durchzusetzen. Stattdessen versuchen sie seither, die vor allem von den USA, aber auch von Japan und anderen gewünschte vollständige Liberalisierung der Kulturindustrie zu verhindern und den Status quo in der Medienregulierung zu sichern.

Neben der Verteidigung der wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen nationalen audiovisuellen Produzenten liegt der Kern des Konfliktes in der unterschiedlichen Betrachtungsweise der Kultur: Während für die USA Kultur eine Ware wie andere darstellt, ist für Europa und Kanada Kultur auch ein wichtiger Teil der nationalen Identität, die es auch durch entsprechende Gesetze zu bewahren gilt ("Protektionismus"). Mit dem GATS-Übereinkommen verpflichten sich alle WTO-Teilnehmerstaaten zur Liberalisierung im Dienstleistungssektor, wodurch unter anderem die in Europa weit verbreiteten Förderprogramme für Film und Fernsehen, die verschiedenen Finanzierungssysteme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie andere staatliche Maßnahmen im audiovisuellen Sektor in die Diskussion geraten könnten.

Der Ausgang der laufenden WTO-Verhandlungen (Doha-Runde) ist für den audiovisuellen Sektor gegenwärtig kaum vorherzusagen; die Lage ist aufgrund der verschiedenen Interessen, aber auch durch die vielfältige Verknüpfung mit anderen Regelungsbereichen äußerst kompliziert. Verschiedene Vorschläge der letzten Jahre zielen auf eine Überbrückung des Grundkonflikts zwischen ökonomischem und kulturpolitischem Ansatz. Von der UNESCO und anderen wird das Konzept der kulturellen Vielfalt als eine Möglichkeit gesehen, die ökonomischen Notwendigkeiten anzuerkennen und Freiraum für nationale Kulturpolitiken zu sichern. Für die Europäische Union wird es weiter eine größere Herausforderung bleiben, dem Liberalisierungsdruck standzuhalten und die innerhalb der EU gültigen Standards zu verteidigen. Eine besondere Rolle kommt in der WTO zunehmend den Entwicklungsländern zu, von denen einige (z.B. Brasilien, Indien) inzwischen selbst über eine florierende, exportorientierte audiovisuelle Industrie verfügen.

MP 10/2004, S. 489-499



Zurück zur Übersicht