Heft 7

Verena Metze-Mangold/Christine M. Merkel

Magna Charta der internationalen Kulturpolitik

Die UNESCO-Kulturkonvention vor der Ratifizierung

Die im Oktober 2005 von einer großen Mehrheit der UNESCO-Generalkonferenz verabschiedete Kulturkonvention ist das erste völkerrechtliche Abkommen zur Kulturpolitik. Die Konvention betont die "Doppelnatur" von Kulturgütern: einerseits Ware oder Dienstleistung, andererseits Träger von Wertvorstellungen und Identität. Sie unterstreicht unter anderem das Recht der Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik, einschließlich der Möglichkeit, die Vielfalt der Kultur durch Schutz- und Fördermaßnahmen zu stärken. Ausdrücklich verpflichtet die Konvention auch zur internationalen Kooperation in Situationen ernsthafter Gefahren für kulturelle Ausdrucksformen. Der Ratifizierungsprozess für die Konvention hat in vielen Ländern begonnen, auch in Deutschland wird mit einer baldigen Ratifizierung durch den Bundestag gerechnet.

Die Kulturwirtschaft weist weltweit hohe Wachstumsraten auf, doch existieren weiterhin krasse Ungleichgewichte im internationalen Handel auch mit Kulturgütern. Die kulturelle Vielfalt und die Eigenständigkeit der Kulturen werden durch die in der globalen Wirtschaft wirkenden Marktkräfte bedroht. Die Kulturkonvention wurde von ihren Befürwortern auch als notwendiges Gegengewicht zur Globalisierung der Märkte propagiert. Sie soll auf nationaler und internationaler Ebene den Akteuren Mittel an die Hand geben, solchen schädlichen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Damit steht die Kulturkonvention potenziell im Konflikt mit dem Regime der Welthandelsorganisation (WTO), welches auf eine weitere Liberalisierung und Öffnung der Märkte dringt und damit auch Schutz- und Fördermaßnahmen nationaler Kulturpolitik ablehnend gegenüber steht. Das WTO-System bedroht seit Jahren auch die bestehenden Systeme der Kultur- und Medienpolitik in Europa, beispielsweise die Fernsehrichtlinie der EU und die verschiedenen nationalen Förderinstrumente im Kulturbereich, aber auch den öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner besonderen Position im Mediensystem.

Einer absehbaren Kollision der Kulturkonvention mit der WTO soll durch eine Überwindung des "Entweder-Oder"-Denkens entgegengewirkt werden. Die Konvention sieht unter anderem ein Streitschlichtungsverfahren vor, in das auch die bestehenden WTO-Organe einbezogen sein sollen. Insgesamt eröffnet die Konvention den Staaten Perspektiven für eine aktive Kulturpolitik. Erforderlich ist jedoch auch eine intensivere öffentliche Debatte um die Ziele und Mittel dieser Politik im nationalen und internationalen Kontext.

MP 7/2006, S. 362-373



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