Heft 6

Horst Stipp

Werbung und Festplattenrecorder

Kann Werbung auch im Schnelldurchlauf wirken?

Seit nunmehr zehn Jahren sind Festplattenrecorder - DVR oder PVR, am bekanntesten unter der Marke TiVo - in der US-amerikanischen Medienbranche ein wichtiges Thema. Würde die massenhafte Verbreitung der Geräte, die zeitversetztes Fernsehen und das schnelle Vorspulen von Werbeeinblendungen ermöglichen, das Geschäftsprinzip des kommerziellen Fernsehens gefährden?

Derzeit ist rund ein Viertel aller US-Haushalte mit einem Festplattenrecorder ausgestattet; damit ist die Verbreitung deutlich langsamer verlaufen als zunächst prognostiziert. Dennoch ist die Entwicklung für die Fernsehsender und die Werbetreibenden ein Problem. Die bisherigen Daten zeigen, dass bei DVR-Nutzern noch durchschnittlich 70 Prozent des Fernsehkonsums „live“ bleiben, 30 Prozent entfallen auf zeitversetztes Sehen. Am häufigsten werden DVRs bei erfolgreichen Serien während der Primetime eingesetzt. Während insgesamt der Anteil zeitsouveräner Nutzung der 18- bis 49-Jährigen bei 5 Prozent liegt, sind bei den populärsten Primetime-Serien 20 Prozent der Nutzung zeitversetzt.

Werbung wird von DVR-Nutzern zu 60 Prozent im Schnelldurchlauf gesehen. Am höchsten ist mit 48 Prozent die Chance auf normale Rezeption (ohne Schnellvorlauf), wenn die zeitversetzte Nutzung innerhalb einer Stunde nach dem Ausstrahlungstermin stattfindet. Insgesamt wird der Einfluss der DVR-Nutzung auf die Gesamtreichweite der Werbung in den USA heute mit 6 Prozent veranschlagt. Seit September 2007 werden die Werbepreise nach der Währung „Commercial plus 3“ festgelegt, in die die Reichweiten der Werbeblöcke eingehen, die entweder „live“ oder innerhalb von drei Tagen nach der Ausstrahlung gesehen werden.

Wie beeinflusst die DVR-Nutzung die Werberezeption? Nachdem eine Pilotstudie 2006 ermittelt hatte, dass DVR-Nutzer auch dann eine erstaunlich hohe Werbeerinnerung zeigen, wenn sie die Werbung im Schnelldurchlauf vorgespult haben, wurde die Wahrnehmung von Werbung im Fast-Forward-Modus in weiteren Studien untersucht. Erneut bestätigte sich die hohe Werbeerinnerung der Testpersonen. Bei dreifacher Vorspulgeschwindigkeit betrug die Werbeerinnerung noch zwei Drittel der Werte bei „Live“-Rezeption, und auch bei sechsfacher Geschwindigkeit war sie immer noch erstaunlich hoch. Blickbewegungsdaten und biometrische Daten der Testpersonen (z.B Herzfrequenz, Atmung, galvanischer Hautzustand) legen als Erklärung eine erhöhte Aufmerksamkeit während des Vorspulens nahe. Werbewirkung geht demnach durch Festplattenrecorder nicht völlig verloren, und es eröffnen sich Möglichkeiten, die Gestaltung von Spots im Hinblick auf den Schnelldurchlauf zu optimieren.

MP 6/2008, S. 299-306



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