Heft 4

Beate Frees/Nicole Oberg/Daniel Schmeißer

Innovative Ansätze in der Medienforschung

Einsatz kollaborativer Forschungsblogs am Beispiel von ZDF-Wahlwatching 2009

Die Digitalisierung der Medien führt zu unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen an konvergente Medienangebote: Inhalte werden situationsgerecht und plattformunabhängig auf verschiedenen Endgeräten (Fernsehen, Internet, Handy) erwartet. Für klassische Medienanbieter wie Verlage oder Fernsehsender bedeutet dies ein radikales Umdenken, sie müssen mit neuen Konzepten und Modellen auf den medialen Umbruch reagieren, um ihre Zielgruppen auch weiterhin adäquat ansprechen und (ein-)binden zu können. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) realisierte im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 ein plattformübergreifendes Angebot „Wahlwatching 09“ (für Fernsehen, Web, Social Media, Mobile), das im Rahmen einer umfangreichen Begleitstudie auf seine Zuschauerwirkung hin evaluiert wurde. Um eine dynamische, crossmediale Evaluation im Zeitverlauf sicherzustellen, wurde ein integrierter, multimethodaler Ansatz gewählt. Im Zentrum stand ein kollaboratives Instrument auf Basis eines Weblogs (Blogs). Flankierend wurden ein Monitoring partizipativer Angebote (Social Media), psychologische Tiefeninterviews und eine quantitative Panelbefragung durchgeführt.

Qualitative Interviews und quantitative Panelbefragung gaben wichtige Einblicke in die Nutzung der untersuchten Angebote, sie konnten aber nicht die Frage beantworten, wie das ZDF-Wahlwatching-Angebot über den Zeitraum von mehreren Wochen hinweg kumulativ seine Wirkung entfaltete. Hier bewährte sich der geschlossen-moderierte Blog als Erhebungsinstrument: Der Mix aus synchroner und asynchroner Onlinekommunikation sowie aus Tagesumfragen, Tagebüchern und thematischen Foren lieferte facettenreiche Einblicke in die sich während des Wahlkampfs wandelnden Bedürfnisse und Anforderungen an mediale Angebote. In Summe wurde "Wahlwatching 09" von den Nutzern als eine sehr gelungene Kombination aus fundierten Inhalten und multimedialer Aufbereitung erlebt.

Aus Sicht der Forscher führte das hohe Maß an Offenheit zu einer Art „kontrolliertem Kontrollverlust“: Der Forscher interpretiert nicht mehr „neutral“ und mit einigem Abstand, sondern überprüft seine Sicht auf die Dinge unmittelbar im Austausch mit den Nutzern. Außerdem wird die Trennung von Analyse und Bewertung zunehmend aufgehoben, durch die Schnelligkeit des Social Webs und crossmedialer Vernetzung greifen Analyse, Interpretation und das Ableiten von Handlungsempfehlungen im Forschungsprozess unmittelbar ineinander.

 

MP 4/2010, S. 205-214



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