Heft 9

Ursula Dehm/Dieter Storll

Medien und Tabus

Eine qualitativ-quantitative Grundlagenstudie

Trotz gegenteiliger Behauptungen kennt die Mehrheit junger Menschen Tabus (wie z.B. Gewaltfantasien, Selbstmordgedanken, Nutzung von Pornofilmen) und weiß deshalb auch, was Tabuverletzungen sind. Dies geht aus der vorliegenden Studie der ZDF-Medienforschung hervor, die mit dem Marktforschungsinstitut mindline media durchgeführt wurde und als Grundlagenstudie (qualitative Basisstudie und quantitative Repräsentativbefragung von 800 16- bis 39-Jährigen in Privathaushalten mit Internetanschluss) angelegt ist. Der Kontakt mit prekären, in ihrer Wirkung umstrittenen Internetinhalten oder Online- und Computerspielen ist hoch -- je jünger die Befragten, umso intensiver, und in der Regel bei jungen Männern am stärksten ausgeprägt. Entsprechend lassen sich auch Enttabuisierungen am deutlichsten bei jungen Männern zwischen 16 und 20 Jahren feststellen, insbesondere im Hinblick auf den Internet- und Gamesbereich. Das Fernsehen ist dagegen verglichen mit Internet und Games für diese Zielgruppe kaum ein Tabubrecher. Die Nutzung spezifischer Medieninhalte (z.B. Castingshows, Dokusoaps) geht mit der Enttabuisierung bestimmter Themen einher.

Männer und Frauen unterscheiden sich, besonders in der jüngsten Altersgruppe der 16- bis 20-Jährigen, deutlich in ihrem Verhalten und in ihren Einstelllungen hinsichtlich tabuverletzender Medieninhalte und allgemein tabubehafteter Themen. Junge Männer im Alter von 16 bis 20 Jahren haben in allen untersuchten Bereichen eine deutlich größere Toleranz gegenüber Tabuverletzungen als Ältere und Frauen. Schwächer als beim Alter und Geschlecht -- aber gleichwohl vorhanden -- ist der Einfluss der formalen Bildung: Befragte mit vergleichsweise niedrigem formalem Bildungsgrad nutzen zum Beispiel erkennbar häufiger gewalthaltige Online- und Computerspiele. Wer besonders gewalthaltige Spiele spielt oder auch bestimmte Fernsehinhalte sieht, kennt auch weniger Tabus in der persönlichen Kommunikation.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, eine breite empirische Basis für die Diskussion um einen verantwortlichen Umgang mit den vielfältigen Medienoptionen und für den Jugendmedienschutz zur Verfügung zu stellen.

 

MP 9/2010, S. 410-431



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