Heft 2

Michael Libertus/Jan Wiesner

Netzneutralität, offenes Internet und kommunikative Grundversorgung

Zum Stand der Debatte in Deutschland, Europa und den USA

Das Thema Netzneutralität ist auch für den Rundfunkbereich von großer Bedeutung, denn das Internet wird als Verbreitungsweg für Rundfunkangebote immer wichtiger.  Insbesondere Jüngere nutzen Rundfunkangebote verstärkt am PC oder mobil.

Es stellen sich verfassungsrechtlich, aber auch kommunikationsrechtlich neue Fragen:  Wie kann eine kommunikative Grundversorgung durch Sicherstellung einer diskriminierungsfreien Durchleitung von Rundfunkinhalten gewährleistet werden? Und wie kann der Zugang der Nutzer, also des Gebührenzahlers, zu diesen Inhalten gesichert werden? Die Politik hat sich verstärkt des Themas angenommen. In einer ganzen Reihe von Ländern und auch auf der Ebene der Europäischen Union werden Öffentlichkeit und betroffene Kreise konsultiert, werden Berichte vorbereitet und politische Debatten geführt. Die Auseinandersetzung um die Neutralität der Netze hat ihren Ausgang allerdings in den USA genommen, und über lange Zeit blieb die Debatte auf den amerikanischen Kontinent beschränkt.

Der vorliegende Beitrag stellt die mit dem Thema Netzneutralität verbundenen Fragen und Diskussionen im Wege einer Bestandsaufnahme dar und zeigt die Regulierungsperspektiven auf. Ausgehend von der Frage nach der Bedeutung des Begriffs und der damit verbundenen Aspekte werden vor allem Entwicklung und Stand der politischen Diskussion in den USA, in verschiedenen europäischen Staaten sowie auf EU-Ebene dargestellt. Darüber hinaus werden die Bedeutung für den Rundfunk und die kommunikationsverfassungsrechtlichen Aspekte des Themas beleuchtet sowie die Position von ARD und ZDF im Rahmen des Konsultationsverfahrens der EU-Kommission vorgestellt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs der Netzneutralität gibt es nicht. Ebenso wenig gibt es, trotz vieler Parallelen in den nationalen und europäischen Diskussionen, eine einheitliche Sicht, ob und wie die Netzneutralität gesichert werden soll und kann. Grund hierfür ist unter anderem, dass sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Infrastruktur als auch die durch nationale und/oder europäische Tradition geprägte Regulierung unterschiedlich sind. Bei aller Unterschiedlichkeit und mangelnder verbindlicher Begriffsdefinition ist allerdings eines klar: Es geht in der Netzneutralitätsdebatte um die Offenheit von und den diskriminierungsfreien Zugang zum Internet und damit zu einer der wichtigsten Kommunikationsinfrastrukturen unserer Zeit. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht es um die Sicherung des Zugangs aller Menschen zu seinen Inhalten und damit die Erfüllung seines gesellschaftlichen Auftrags.

Vor dem Hintergrund zunehmender Konvergenz auch der technischen Übertragungswege und der gleichzeitig zunehmenden Integration vorher getrennter Geschäftstätigkeiten in einem Unternehmen (z.B. Infrastrukturanbieter werden zugleich Inhalteanbieter) wird die Frage des Zugangs zu Netzen noch wichtiger werden. Daher ist Netzneutralität für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowohl unter übergeordneten gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten („Wie soll die Informationsgesellschaft der Zukunft ausgestaltet sein?“) als auch wegen damit unmittelbar verbundenen konkreten Fragen („Wie kann auch in Zukunft der Zugang der Menschen zu öffentlich-rechtlichen Inhalten gesichert werden?“) von großer Bedeutung. Netzneutralität ist auch eine Frage der Demokratie und des Selbstverständnisses einer Gesellschaft.

 

MP 2/2011, S. 80-90



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