Heft 12

Bernhard Kessler/Thomas Kupferschmitt

Fernsehen in Gemeinschaft

Analyse zu Konstellationen der Fernsehnutzung

Der deutsche Fernsehmarkt wird charakterisiert von einer Fragmentierung im Hinblick auf die Senderzahl, aber auch dadurch, dass die Programmangebote ausdifferenzierter und stärker auf einzelne Zielgruppen ausgerichtet sind. Sinkende Haushaltsgrößen und mehr Fernsehgeräte pro Haushalt tragen zudem dazu bei, dass sich der Fernsehkonsum in den letzten 20 Jahren individualisiert hat. Da die Fernsehnutzung insgesamt stark expandierte und sich vor allem in einem starken Anstieg der individuellen Nutzung niederschlug, ist die gemeinsam vor dem Fernseher verbrachte Zeit nur leicht rückläufig. Gut ein Drittel der Fernsehzeit wurde 2011 gemeinsam mit anderen Personen verbracht, wobei die Nutzung zu zweit den Regelfall darstellte.

Kinder sehen überproportional oft gemeinsam mit anderen fern. Knapp die Hälfte ihrer Fernsehzeit entfällt auf gemeinsame Nutzungskonstellationen. Die Alleinnutzung spielt werktags und vor allem tagsüber eine dominante Rolle. Sie kann aber auch abends und am Wochenende bedeutsam sein, wenn sich eine Programmfarbe an eine klar umrissene Zielgruppe richtet – Beispiele hierfür sind melodramatische Fiction oder männeraffine Sportarten wie Boxen. Das gemeinschaftliche Fernsehen kann sich hingegen vor allem in der Primetime und insbesondere am Wochenende als wichtiger Faktor behaupten.

Überdurchschnittlich oft werden öffentlich-rechtliche Programmangebote gemeinsam gesehen. Gerade familientauglichen Shows wie „Wetten, dass ..?“, wichtigen Fußballspielen, aber auch Fiction wie dem „Tatort“ gelingt deswegen der Sprung auf die vorderen Ränge der Hitlisten, weil sie nicht nur in vielen Haushalten, sondern dort auch von mehreren Personen gemeinsam gesehen werden. Fernsehmacher und Programmplaner haben daher auch in Zukunft Anlass, neben aller berechtigten Zielgruppenorientierung auf klassische „Lagerfeuer“-Formate zu setzen.

MP 12/2012, S. 623-634



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