Heft 10

Gerlinde Frey-Vor/Inge Mohr

25 Jahre Deutsche Einheit - Fernsehnutzung in Ost und West

Angleichungen und Unterschiede

In den ersten Jahren nach der deutschen Vereinigung sahen die Menschen in Ostdeutschland deutlich anders fern als im Westen. Sie sahen zum Beispiel länger fern, sie nutzten mehr als Westdeutsche die kommerziellen Sender, aber auch stärker die öffentlich-rechtlichen Dritten Programme der ARD, und sie widmeten sich stärker Infotainment- und Unterhaltungsangeboten. Darüber hinaus stellten sie – scheinbar im Widerspruch zu ihrem größeren Maß an Nutzung privater Fernsehsender – höhere Ansprüche an öffentlich-rechtliche als an private Sender und erwarteten dort Themen und Akteure aus Ostdeutschland zu sehen, die den eigenen Identitätsbedürfnissen entsprachen.

Bestehen diese Unterschiede auch heute noch? Nach 25 Jahren deutscher Einheit zeigen sich nach wie vor Unterschiede, aber auch Angleichungen zwischen West und Ost. Einige Fernsehnutzungsmuster sind relativ stabil geblieben. Ostdeutsche sehen noch immer länger fern und sie beginnen früher am Tag damit. Auch die Präferenz der Ostdeutschen für Privatsender lebt noch fort, wenn auch in abgeschwächter Form. Insgesamt nähern sich die Marktanteile der großen Sender in West und Ost an. Gehalten hat sich im Osten die stärkere Nutzung der Dritten Programme der ARD, nicht zuletzt zur (regionalen) Information. Die Präferenz für Nachrichten der kommerziellen Sender besteht weniger stark ebenfalls fort. Auffallend ist, dass anders als in Westdeutschland die jungen Altersgruppen der 14- bis 29-Jährigen heute länger fernsehen als noch 1994 und mehr junge Leute als im Westen dies täglich tun. Auch die ostdeutschen Kinder sehen länger fern, auffallend ist außerdem die stark gewachsene Akzeptanz von KiKA, der in Ostdeutschland inzwischen die Marktführerschaft bei den 3- bis 13-Jährigen übernommen hat.

Es bleibt festzuhalten, dass die Unterschiede in der Fernsehnutzung nicht starr in den beiden Landesteilen verankert sind. Dies zeigen die Vergleiche nach Bundesländern. In einigen Aspekten ähneln sich jeweils strukturell vergleichbare Flächenländer und Stadtstaaten in West und Ost jenseits des Ost/ West-Musters. Daher ist davon auszugehen, dass die unterschiedliche Fernsehnutzung in beiden Landesteilen teils soziostrukturell und teils mentalitätsbedingt ist.

MP 10/2015, S. 453-469



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