Heft 7-8

Oliver Castendyk/Martin Petrick/Elisabet Richter

Chancen und Herausforderungen des digitalen Kinos

Ergebnisse einer Studie zur Kinowirtschaft in Deutschland

Obwohl es bereits seit Anfang des Jahrtausends digital produzierte Kinofilme gab, verbreitete sich die digitale Vorführtechnik in den Kinos nur langsam. Bis 2004 waren weltweit lediglich 181 Leinwände digitalisiert, in Deutschland nur zwei. Heute sind hierzulande rund 95 Prozent aller Kinosäle mit einem digitalen Projektor ausgestattet. Das zunächst nur verhaltene Umrüstungstempo hatte verschiedene Gründe. Ein gemeinsamer internationaler technischer Standard und ein Finanzierungsmodell mussten gefunden werden. Profiteure der Digitalisierung sind die Filmverleiher, digitale Filmkopien sind deutlich günstiger herzustellen und zu transportieren als analoge. Dagegen bedeutet die Digitalisierung für die Kinobetreiber erhebliche finanzielle Investitionen und im Vergleich zur analogen Projektion höhere Folgekosten ohne Aussicht auf Mehreinnahmen. Die Kinodigitalisierung kam in Gang, nachdem sich der Filmverleih als Hauptprofiteur mit der Virtual Print Fee (VPF) daran beteiligte und auf dieser Grundlage unter Beteiligung von Drittanbietern verschiedene Finanzierungsmodelle entwickelt wurden (sog. Third-Party-Modelle). Darüber hinaus gab es in Deutschland für weniger kapitalkräftige Kinounternehmen eine Digitalisierungsförderung, bei der Bundes- und Länderförderungen miteinander verknüpft wurden. Für die Filmtheater bringt die digitale Projektion neben höheren laufenden Kosten auch kürzere Reinvestitionszyklen mit sich. Dem steht eine Neubelebung und ein Image- und Modernitätsgewinn des Kinos gegenüber, nicht zuletzt auch durch die 3D-Technik. Zudem hat sich die Versorgung mit Filmkopien vor allem für kleinere Kinos und in ländlichen Gebieten verbessert. Es gibt mehr Filmstarts pro Spielstätte, was allerdings zu einem Programmüberangebot führen und die „Veredelungsfunktion“ des Kinos gefährden könnte. Das Kino fungiert, so die Autoren, als Zugpferd für nachfolgende Verwertungsstufen. Die Kinoauswertung eines Films erziele innerhalb weniger Wochen die höchsten Umsätze und entscheide darüber, ob ein Film als Hit oder als Flop wahrgenommen wird. An dieser Bedeutung habe sich durch die Digitalisierung nichts geändert. 


MP 8/2015, S. 352-360



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