Heft 2

Jürgen Betz

Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Anmerkungen zu einem Gutachten

Gegenargumente zu den Forderungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen

Am Heiligen Abend 2014 gelangte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Thema „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ an die Öffentlichkeit. Das Papier propagiert eine „Reform des Rundfunksystems“ in Deutschland. Öffentlich-rechtliche Anbieter sollten nur noch dort auftreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot „klare Defizite“ aufweise (Nischendasein). Aufgrund der technischen Entwicklung gebe es kaum noch Gründe, warum der Rundfunkmarkt anders organisiert sein solle als der Zeitungsmarkt, der durch „ein breites privates Angebot und Subskriptionsmodelle gekennzeichnet“ sei. Dagegen werden die rückläufige Entwicklung des Zeitungsmarkts in den vergangenen Jahrzehnten wie auch die hohe Pressekonzentration in Deutschland nicht thematisiert. Zudem wird ein Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert.

Das Gutachten verfolgt einen alten und längst überholten Grundansatz aus den 1980er Jahren, wonach der Rundfunk allein durch Wettbewerb und entsprechende kartellrechtliche Bestimmungen zu regeln sei (These vom alles selbst regelnden Markt). Für Vielfalt in der Informationsvermittlung sorgt der Markt jedoch gerade nicht. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Rundfunk nicht nur ökonomisch betrachtet und reguliert werden, da er der Meinungsbildung dient und für ein demokratisches Gemeinwesen unerlässlich ist.

Seine Forderung nach einem Werbeverzicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begründet der Wissenschaftliche Beirat beim BMF mit angeblich ausgelösten „Fehlanreizen“ für die Programmgestaltung und einer entsprechenden Orientierung an Zielgruppen und Einschaltquoten, ohne hierfür Belege zu liefern. Unerwähnt bleibt die Bedeutung von Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Werbewirtschaft, die Erreichung attraktiver Zielgruppen und für den Wettbewerb in der TV- und Radiovermarktung. Unerwähnt bleibt ferner die von der KEF errechnete Mehrbelastung der Rundfunkbeitragszahler von 1,26 Euro pro Monat im Falle eines Werbeverzichts bei ARD und ZDF.

Das Gutachten fällt darüber hinaus durch fragwürdige Vorschläge zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf. So wird beispielsweise der (verfassungsmäßig unzulässige) Vorschlag einer Steuerfinanzierung unterbreitet. Der Autor resümiert, dass das Gutachten des BMF-Beirats keine Alternative zum derzeitigen dualen Rundfunksystem in Deutschland bietet.

MP 2/2015, S. 58-65



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