Heft 2

Christian Breunig

Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk

Historische Entwicklung vor dem Hintergrund der aktuellen medienpolitischen Diskussion

In der aktuellen medienpolitischen Diskussion über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordern die Lobbyisten des privaten Rundfunks und vereinzelte politische Akteure eine weitere Reduzierung der Hörfunkwerbung, ohne jedoch die wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Forderung auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auf die Bedeutung der Gattung Radio als Werbeträger, für die werbungtreibenden Unternehmen und für den Wettbewerb in der Hörfunkvermarktung zu berücksichtigen.

Werbung gehörte schon immer zum Radioalltag dazu, und sie ist mit dem Medium Hörfunk seit der ersten Sendestunde im Oktober 1923 verbunden. Auch Kritiker der Werbung hat es schon immer gegeben: Bereits in der Weimarer Republik befürchteten Zeitungsverleger, das neue Medium Rundfunk (Radio) und die Funkwerbung könnten ihre wirtschaftliche Basis gefährden. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde Rundfunkwerbung ab 1936 verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg strahlten nach und nach alle in der amerikanischen und französischen Besatzungszone neu gegründeten Radiosender Hörfunkwerbung aus. Nur dem in der britischen Zone entstandenen NWDR blieb Werbung untersagt. Bei den Rechtsnachfolgern NDR und WDR führten die sich verschärfende finanzielle Lage und die Konkurrenz durch private Radiosender in den 1980er Jahren zur Ausstrahlung von Werbung.

Allen Landesrundfunkanstalten, die vor 1987 bereits über ein höheres Werbekontingent als 90 Minuten pro Werktag verfügten, wurde im Rundfunkstaatsvertrag Bestandsschutz gewährt. Den übrigen Rundfunkanstalten (MDR, WDR) stehen 90 Minuten Hörfunkwerbung pro Werktag zu, wobei die Werbung auf mehrere Programme verteilt werden kann. Der NDR ist die einzige Rundfunkanstalt, die nur 60 Minuten Hörfunkwerbung pro Werktag und außerdem in nur einem Radioprogramm (NDR 2) ausstrahlt. Wenn heute die Lobbyisten des Privatfunks und politische Akteure für das ganze Bundesgebiet eine Werbebeschränkung des öffentlich-rechtlichen Hörfunks nach dem „NDR-Modell“ fordern, dann verkennen sie die Tatsache, dass die Regelung beim NDR aus einer historischen Sondersituation entstanden ist.

MP 2/2015, S. 50-57



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