Heft 5

Tanjev Schultz/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Oliver Quiring/Christian Schemer

Erosion des Vertrauens zwischen Medien und Publikum?

Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage

Demokratische Gesellschaften sind auf das Vertrauen ihrer Bürger angewiesen. Kritik und Kontroversen schließt das nicht aus, im Gegenteil. Zu einer vitalen öffentlichen und politischen Kultur gehören ein gesundes Misstrauen, Skepsis und Zweifel – auch gegenüber den Medien. Ein Mindestmaß an Vertrauen und Rückhalt beim Publikum sind allerdings unabdingbar, und in jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen für eine zunehmende Entfremdung relevanter Bevölkerungsteile von den etablierten politischen und medialen Akteuren. Das Erstarken von Populisten und Verschwörungstheoretikern, Angriffe auf Journalisten und das Lautwerden von „Lügenpresse“-Rufen haben Debatten über ein womöglich grundsätzlich gestörtes Verhältnis zwischen Medien und Publikum ausgelöst.

Die vorliegende Studie legt empirische Belege zu dieser Debatte auf der Basis einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung von Personen ab 18 Jahren in Deutschland vor. In Übereinstimmung mit früheren Befunden ist das Vertrauen der Befragten vor allem in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und klassische Tageszeitungen groß. Privaten Fernsehsendern und den Boulevardzeitungen bescheinigen die Bürger dagegen eine geringere Glaubwürdigkeit.

Gemeinsam mit der Haltung zu den Medien wurden in der Untersuchung auch Fragen zu einer Reihe von Verschwörungstheorien gestellt, so zum Beispiel zum Tod von Prinzessin Diana oder den Hintergründen von 9/11. Bei Befragten, die Pauschalvorwürfen gegen die Medien zustimmen, liegen die Zustimmungswerte zu solchen Verschwörungstheorien deutlich über dem Durchschnitt.

Insgesamt ist aus den Ergebnissen der Studie kein umfassender, dramatischer Vertrauensverlust in die Medien zu erkennen. Einerseits artikulieren bemerkenswert hohe – und bei manchen Fragen wachsende – Anteile der Bevölkerung ein erhebliches Misstrauen. Nicht alle, die heftige und pauschale Kritik an etablierten Sendern und Zeitungen üben, haben bereits ein kohärentes und gefestigtes Anti-Medien-Bild. Offensichtlich spielen derzeit rasch schwankende Stimmungen eine große Rolle. Doch es existiert auch ein harter Kern von Medienzynikern. Auf der anderen Seite lassen sich in einem Teil der Bevölkerung sogar Anzeichen für eine Zunahme des geäußerten Vertrauens ausmachen, die als Unterstützung für etablierte Medien in Krisenzeiten interpretiert werden kann.

MP 5/2017, S. 246-259



Zurück zur Übersicht