Heft 12

Jennifer Wladarsch

Wie individuelle Qualitätsurteile über Onlinenachrichten entstehen

Ergebnisse einer qualitativen Befragung

Wie kommen Wertungen über Medieninhalte zustande? Wie entstehen bei den Nutzern Ansprüche und Erwartungen? Bislang gibt es hierzu kaum empirische Befunde, zudem mangelt es an theoretischen Erklärungen der Urteilsgenese. Die vorliegende qualitative Studie liefert Erkenntnisse zu genuinen Nutzeransprüchen an die journalistische Qualität.

In Leitfadeninterviews zeigte sich, dass es Nutzern schwerfällt, allgemeine Ansprüche an den professionellen Journalismus zu formulieren. Daher greifen Nutzer insbesondere auf ihnen bekannte, jedoch wenig reflektierte gesellschaftliche Qualitätsmaßstäbe zurück. Außerdem variieren die Qualitätsansprüche je nach Nutzungssituation (z.B. mobile Nutzung, Freizeit/Arbeit) teilweise deutlich.

Im Einklang mit bisherigen Forschungsergebnissen stehen die Befunde zur gewichtigen Signalwirkung von Medienmarken: Markenbezeichnungen bestimmen entscheidend darüber, welche Qualitätserwartungen Nutzer in der präkommunikativen Phase haben und führen zu insgesamt weniger reflektierten Qualitätsbewertungen. Eine ähnliche Funktion übernehmen Empfehlungen von Freunden sowie bekannten Personen (z.B. politischen Bloggern), sofern diesen eine hohe Themen- oder Medienkompetenz zugesprochen wird.

Einen weiteren Schritt zur Erklärung der Urteilsgenese liefern die Ergebnisse der Nutzertypologie. Bei der Art der Nachrichtennutzung gibt es zwischen den Nutzern Unterschiede in der Nutzungsintensität, dem Umfang des Medienrepertoires sowie der Zusammensetzung des Medienrepertoires (insbesondere professionelle und nichtprofessionelle Angebote). Nutzertypen mit einem einseitigen Nachrichtenkonsum tendieren dazu, nur wenige, vorrangig professionelle Angebote zu nutzen, denen sie vertrauen und deren Qualität kaum kritisch hinterfragt oder geprüft wird. Typen mit einem umfangreichen Set an Nachrichtenangeboten ziehen bewusst zusätzliche Nachrichtenquellen zur Verifizierung der Berichterstattung hinzu; teilweise wird das persönliche soziale Umfeld zurate gezogen.

MP 12/2019, S. 546-555



Zurück zur Übersicht