Heft 3

Leyla Dogruel/Birgit Stark/Dominique Facciorusso/Kerstin Liesem

Die Regulierung von Algorithmen aus Expertensicht

Transparenz und Diskriminierungsfreiheit - zur Vielfaltssicherung im neuen Medienstaatsvertrag

Algorithmische Systeme beeinflussen in immer mehr Lebensbereichen unsere Informations- und Entscheidungssituationen. Dabei bergen sie neben vielen Chancen auch weitreichende Risiken. Mit der Debatte um mögliche negative Folgen von Algorithmen sind in Deutschland unterschiedliche medienpolitische Regulierungsansätze entstanden. Der neue Medienstaatsvertrag, der in diesem Jahr den alten Rundfunkstaatsvertrag ablösen soll, wird sogenannte Medienintermediäre, wie zum Beispiel Facebook und Google, stärker in die Verantwortung nehmen. Dabei sind Transparenz und Diskriminierungsfreiheit die maßgeblichen Normen für das Regelwerk, die zum einen die Nutzerautonomie stärken und zum anderen die Meinungsvielfalt gewährleisten sollen. Auf der Basis einer qualitativen Expertenbefragung diskutiert der Beitrag die Umsetzbarkeit und Effektivität der vorgesehenen Maßnahmen. Insgesamt weisen die Experteneinschätzungen auf einen erheblichen Konkretisierungsbedarf der medienpolitischen Normen hin – was die Voraussetzung für einen effektiven gesellschaftlichen Umgang mit Algorithmen bildet.

Die Transparenzvorschrift soll in erster Linie dafür sorgen, dass Nutzer die automatisierten Auswahlentscheidungen auf Plattformen wie Facebook oder Google nachvollziehen können. Das angestrebte Ziel einer Nutzerautonomie erweist sich in der Praxis allerdings oft als „Entscheidungsfiktion“, denn Nutzer haben in vielen Fällen keine Alternativen zu den marktbeherrschenden Plattformen.

In Bezug auf die Diskriminierungsfreiheit besteht zwar Konsens darüber, dass Medienintermediäre nicht aus unsachgemäßen Gründen Inhalte (wie beispielsweise journalistisch-redaktionelle Angebote) behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln dürfen. Doch ist noch relativ offen, was Diskriminierungsfreiheit im Einzelnen bedeuten soll bzw. wann und unter welchen Kriterien konkrete Fälle von Diskriminierung vorliegen. Der entscheidende Punkt wird in der Vielfaltsicherung für journalistische Angebote gesehen. Ein Diskriminierungsverbot kann letztlich nur dann wirksam sein, wenn Algorithmen auf eine inhaltliche Vielfalt journalistischer Angebote im Netz zurückgreifen können.

 

MP 3/2020, S. 139-148



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