Heft 6

Tanjev Schultz/Marc Ziegele/Ilka Jakobs/Nikolaus Jackob/Oliver Quiring/Christian Schemer

Medienzynismus weiterhin verbreitet, aber mehr Menschen widersprechen

Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2019

In gesellschaftlichen Krisen wächst der Bedarf an verlässlicher Information. Zugleich steigt die Gefahr, die von Gerüchten, Falschinformationen und Verschwörungstheorien ausgeht. Umso deutlicher wird in solchen Phasen, wie entscheidend seriöse Quellen sind, denen die Bürgerinnen und Bürger vertrauen und an denen sie sich orientieren können.

Die neuesten Ergebnisse der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen aus dem Herbst 2019 zeigen, dass die etablierten Medien in Deutschland weiterhin auf ein stabiles Fundament an Vertrauen in der Bevölkerung bauen können. In Krisenzeiten, wie aktuell während der Corona-Pandemie, wenden sich die Menschen verstärkt den Nachrichtenangeboten der Zeitungen und vor allem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender zu. Dies lässt sich mit der Glaubwürdigkeit erklären, die diesen Angeboten attestiert wird. 67 Prozent vertrauen dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, 65 Prozent den regionalen, 55 Prozent den überregionalen Zeitungen.

Medienkritische Aussagen finden insgesamt weniger Zustimmung als noch 2018. Nur eine Minderheit zweifelt grundsätzlich an der Zuverlässigkeit der Medien. Etwa jede/r Vierte in Deutschland vertraut den Medien bei wichtigen Themen nicht. Geht es um politisch besonders umstrittene Fragen, die in aufgeheizter Atmosphäre diskutiert werden, zeigt sich auch eine stärkere Polarisierung im Medienvertrauen. Medienkritische Vorwürfe à la „Lügenpresse“ provozieren aber auch Gegenreaktionen: Immer mehr Menschen stellen sich schützend vor die etablierten Nachrichtenmedien und verteidigen sie gegen Globalkritik. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen alles gutheißen würden, was und wie die Medien berichten. Im Zuge einer anhaltenden Polarisierung artikulieren sie jedoch ein grundsätzliches Vertrauen in die Angebote professioneller Journalistinnen und Journalisten, die sie als zuverlässiger einstufen als beispielsweise die Informationen, die auf Social-Media- Plattformen zirkulieren. Für die etablierten Medien ist die steigende Nachfrage in Krisenzeiten demnach auch eine Chance, sich als verlässliche Quellen zu bewähren und den Menschen zu helfen, sich zu orientieren.

 

MP 6/2020, S. 322-330



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