Ballungsräume - kein geeignetes Terrain für Fernsehkanäle?
Wirtschaftliche Lage von Ballungsraumfernsehen und ein neues Gutachten zur Tragfähigkeit eines Programms im Rhein-Main-Gebiet
Mit dem Berliner Sender pulsTv meldete im Mai 1997 der erste Ballungsraumfernsehanbieter Konkurs an. Unabhängig von senderinternen Problemen ist diese Pleite symptomatisch: Ballungsraumsender haben nach einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung derzeit mit 36 Prozent den schlechtesten Kostendeckungsgrad aller Fernsehtypen. Obwohl inzwischen mehrere Gutachten die Wirtschaftlichkeitschancen von Ballungsraumfernsehen sehr skeptisch eingeschätzt bzw. verneint haben, zeigen Investoren - aus Motiven wie Konzernstrategie oder Synergieüberlegungen - weiterhin Interesse am Ballungsraumfernsehen. Auch das soeben erschienene Gutachten der GEBERA-Beratungsgesellschaft, Köln, zur Tragfähigkeit eines Programms im Rhein-Main-Gebiet sieht keine Erfolgsaussichten. Die Autorin vergleicht das GEBERA-Gutachten mit dem Prognos-Gutachten von 1996 für dieselbe Region, die beide innerhalb von zehn Jahren keine Amortisation der Anlaufkosten sehen. GEBERA, die kommunikative Aspekte des Ballungsraums wie lokale Identität und Programmqualität stärker berücksichtigt und die tatsächlich erreichbare Zuschauerschaft genauer abschätzt, kommt insgesamt aber zu noch ungünstigeren Bewertungen als Prognos. Gerade mit den kommunikativen Anforderungen ihrer Sendegebiete haben sich die an mangelnder Zuschauerakzeptanz leidenden Ballungsraumsender nach Ansicht der Autorin offenbar zu wenig auseinandergesetzt. In Ballungsgebieten und Metropolen gebe es eine Vielfalt von Interessengruppen und Szenen, die publizistisch zu bedienen hohe programmliche Kreativität und entsprechende redaktionelle Ressourcen erfordere. Demgegenüber versuche das Ballungsraumfernsehen bislang, seine Kanäle möglichst kostengünstig mit Programm zu füllen. Strategien, durch Kettenbildung zu Synergieeffekten zu kommen, widersprechen der Idee des Regionalfernsehens: Wenn Ballungsraumsender nur als Abspielstationen zur besseren Programmverwertung dienten, blieben als originär verbreitungsgebietsbezogene Sendungen letztlich nur Fenster übrig. Dafür brauche es keine eigenen Kanäle, die zudem noch die bestehenden Print-, Hörfunk- und Fernsehangebote gefährden könnten.
MP 6/1997, S. 339-350
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