Kabelbelegung: Diktatur des Marktes?
Rechtliche Leitlinien zur Vergabe von Kanälen in Kabelnetzen
In Deutschland empfängt derzeit mehr als die Hälfte der Fernsehhaushalte ihre Programme über Kabel, wobei die Zahl der Fernsehanbieter die der verfügbaren Kabelplätze inzwischen deutlich überschreitet. Wegen der dominierenden Position des Kabelempfangs ist die Vergabe von Kabelkanälen einerseits zu einem Politikum, andererseits Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren geworden. Der Autor beschreibt sowohl die Bestrebungen mancher Bundesländer, ihre gesetzlichen bzw. rechtlichen Regelungen zur Kabelbelegung so zu ändern, daß sie tendenziell zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Anbieter gehen, als auch die Forderungen von VPRT und Telekom - nicht zuletzt im Hinblick auf die digitale Verbreitung - nach weitgehender Belegungsfreiheit der Kabelnetze durch die Netzbetreiber. Übersehen wird bei diesen Forderungen (und oftmals auch bei der gegenwärtigen Praxis der Kabelbelegungen), daß auch die Weiterverbreitung von Rundfunk der Meinungsfreiheit und -vielfalt dienen muß. Diese Leitlinie zieht sich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 1986, und sie findet sich auch im jüngsten Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs zum Sächsischen Privatrundfunkgesetz; das Gericht fordert die vorrangige Einspeisung aller gesetzlichen oder gleichgestellten (z.B. durch Staatsverträge) öffentlich-rechtlichen Programme in die Kabelnetze. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus in seinem 5. Rundfunkurteil bereits 1987 festgestellt, daß auch künftige, nicht der Grundversorgung zuzurechnende öffentlich-rechtliche Angebote bei Knappheit von Frequenzen oder Kanälen zwar keinen Vorrang, wohl aber gleichen Rang beanspruchen können wie Programme anderer Anbieter. Diese Gleichrangigkeit ist derzeit nicht gegeben, ist doch zur Zeit nur maximal ein Drittel aller Kabelplätze mit öffentlich-rechtlichen Programmen belegt. Gleichrangige Behandlung dürfen aber vor allem die Dritten Programme außerhalb der Sendegebiete ihrer jeweiligen Landesrundfunkanstalt (wo sie Vorrangigkeit genießen) beanspruchen. Bei prinzipieller Gleichrangigkeit hat die Kabelbelegungsentscheidung in aller Regel nach bestimmten Kriterien wie Programmvielfalt, Gewährleistung vielfältiger Meinungen, größeres Informationsangebot oder kulturelle Vielfalt zu erfolgen. Obwohl die Dritten Programme in dieser Hinsicht auch nach den Ergebnissen wissenschaftlicher Analysen diesen Auswahlkriterien meist besser genügen als kommerzielle Konkurrenten, werden derzeit vielerorts Dritte Programme aus den Kabelnetzen herausgenommen. Es sei notwendig, so der Autor, der Tendenz zur Unterordnung der gesellschaftlichen Aufgabe der Medien unter Wirtschaftsinteressen nachhaltig entgegenzuwirken.
MP 8/1997, S. 431-441
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