Heft 8

Heinz-Dieter Sommer

Öffentlich-rechtliche Programmstrategien im digitalen Hörfunk

Einbindung aller Hörerkreise durch Aufbau einer Programmfamilie

Auch der Hörfunk sieht sich den Herausforderungen der digitalen Technik gegenüber, die sowohl die internen Produktionsprozesse als auch die Verbreitung des Mediums gravierend verändern wird. Bereits die Einführung kommerziellen Hörfunks hat die Radiolandschaft unübersichtlicher werden lassen, ohne jedoch - abgesehen von Verspartungstendenzen - tatsächliche Programminnovationen mit sich zu bringen. Allerdings ist Hörfunk in den letzten Jahren immer mehr zu einem reinen Tagesbegleit- medium geworden, auf Kosten der über Jahrzehnte im Vordergrund stehenden Informationsfunktion. Auch als Instrument musikalischer Unterhaltung und Entspannung hat das Radio gegenüber CD und Walkman an Boden verloren. Die Entwicklungen im Hörfunk lassen sich nicht zurückdrehen, die Programmformate früher Radiotage lassen sich nicht mehr erfolgreich reaktivieren. Die Möglichkeiten der digitalen Technik bieten indes gerade den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neue Spielräume, die vorhandenen Programmressourcen im Sinne einer spezifischeren Versorgung mit Information und Musik kostengünstig einzusetzen. Unter Ausnutzung des digitalen Rationalisierungspotentials lassen sich um das bestehende Hörfunkangebot der Landesrundfunkanstalten Programmfamilien kreieren, analog zu dem im Fernsehen gebrauchten Motto "Vernetzen statt Versparten". Das Konzept von hr plus beispielsweise sieht Ergänzungsprogramme vor, die die Grundbestandteile bestehender Angebote mit neuen Musikfarben ergänzen; Subspartenprogramme können aus einem Kulturkanal durch Ersetzung bestimmter Bestandteile etwa einen Jazz- und einen reinen Klassikkanal machen; Alternativprogramme erlauben parallel zur Highlightberichterstattung in den Hauptprogrammen großflächige Liveübertragungen von Sport-, Politik- oder Musikereignissen. Vernetzungsprogramme schließlich ermöglichen dem Hörer durch die Definition von Präferenzen die Zusammenstellung individueller Programme aus dem gesamten Angebotspool, in gewisser Weise bereits ein Vorgriff auf Audio on demand.

MP 8/1997, S. 418-426



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