Redaktionelle Strukturen und publizistische Qualität
Ergebnisse einer Fallstudie zum Entstehungsprozeß landespolitischer Berichterstattung im Rundfunk
Die Frage, wie in Hörfunk und Fernsehen über Politik berichtet wird, ist bisher meist inhaltsanalytisch untersucht worden. Dieser Beitrag betrachtet dagegen den Entstehungsprozeß politischer Berichterstattung: Welche redaktionellen Strukturen haben Rundfunkveranstalter, welche Ressourcen wenden sie auf, und wie ist die Kommunikation zwischen Rundfunkjournalisten und politischen Akteuren strukturiert? Diese Fragen wurden anhand einer Fallstudie zur landespolitischen Berichterstattung Hamburger Radio- und Fernsehsender untersucht, mit dem Ziel, die Ursachen für die unterschiedlichen Inhalte der Politikberichterstattung bereits im Entstehungsprozeß zu betrachten. These ist, daß redaktionelle Ressourcen und Strukturen die Qualität der Berichterstattung beeinflussen.Deutlich werden zwei Formen redaktioneller Organisation, die (traditionelle) inputorientierte Struktur mit umfassender Umweltbeobachtung durch Ressorts und die outputorientierte Struktur, bei der die gesellschaftlichen Umfelder unter dem Gesichtspunkt der Programmverwertbarkeit für die anvisierten Zielgruppen beobachtet werden. Von den Hamburger Hörfunk- und Fernsehsendern haben nur die NDR Hamburg-Welle und N3 ein eigenes Ressort Landespolitik, und auch nur hier bestehen feste Kooperationsstrukturen zu Akteuren des politischen Systems. Daß solche Strukturen offenbar Voraussetzung für die Herausbildung landespolitischer Kompetenz sind, wurde daran deutlich, daß die befragten, mit Landespolitik befaßten Journalisten nur NDR- und Zeitungsredakteure als relevante Gesprächspartner bezeichneten.Auch die politischen Öffentlichkeitsarbeiter nannten kaum Journalisten privater Sender als Kooperationspartner, und die befragten Privatfunkredakteure selbst schätzten die landespolitische Kompetenz privater Anbieter ebenfalls gering ein. Als Fazit der Studie halten die Autoren fest: Die Tendenz neu etablierter (kommerzieller) Medien zu outputorientierten Strukturen läßt erwarten, daß die neuen Medienangebote statt zu Vielfaltszuwachs lediglich zur "Vervielfachung des Informationskernbestandes" führen.Die Ergebnisse zeigen am Beispiel Hamburgs, daß in der politischen Kommunikation aus der Sicht der Journalisten, politischen Öffentlichkeitsarbeiter und Politiker nur diejenigen Medien relevant sind, die über eine differenzierte Redaktionsstruktur und ein hohes Maß an personeller Kontinuität in der landespolitischen Berichterstattung verfügen.
MP 4/1997, S. 198-205
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