Spartenkanäle bei ARD und ZDF
Eine juristische Bewertung
Während es seit längerem eine Reihe kommerzieller Spartenkanäle gibt und neuerdings außerdem ganze Bouquets digitaler Spartenprogramme als Pay TV angeboten werden, werden Überlegungen von ARD und ZDF, den kommerziellen Angeboten in bestimmten Bereichen (frei empfangbare) Spartenangebote mit öffentlich-rechtlichem Qualitätsniveau gegenüberzustellen vor allem von seiten des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) bekämpft. Der VPRT hat zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, mit denen die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme in Frage gestellt wird (Alfred Bleckmann: "Öffentlich-rechtliche Spartenprogramme als Bestandteil der Grundversorgung?" sowie Christoph Engel: "Europarechtliche Grenzen für öffentlich-rechtliche Spartenprogramme").
Der vorliegende Beitrag untersucht einerseits die Tragfähigkeit der Argumentationen dieser Gutachten und beantwortet die Frage nach der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenangebote anhand der verfassungs- und rundfunkrechtlichen Grundlagen des dualen Mediensystems. Zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zählt danach mit Blick auf sich änderndes Mediennutzungsverhalten im digitalen Zeitalter selbstverständlich auch die Möglichkeit, Spartenprogramme anzubieten.
So läßt sich zum Beispiel dem achten Rundfunkurteil des Verfassungsgerichts entnehmen, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Rahmen ihrer Programmautonomie und unter Beachtung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags selbst entscheiden können, mit welcher Zahl von Programmen sie ihren Auftrag erfüllen wollen. Deshalb stellen Versuche der Politik, Anzahl und Art der öffentlich- rechtlichen Kanäle zu reglementieren (z.B. der Versuch der Einflußnahme auf das Programmschema des geplanten Dokumentations- und Ereigniskanals Phoenix) unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einen unzulässigen Eingriff in die Programmautonomie und einen Verstoß gegen die Staatsfreiheit des Rundfunks dar. Auch das europäische Recht steht, so der Autor, Kinderkanal und Phoenix nicht entgegen.
Die Rundfunkgebührenfinanzierung stellt weder eine unzulässige Beihilfe noch einen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Zudem darf die den Mitgliedstaaten nach dem Vertrag von Maastricht ausdrücklich verbliebene Kulturkompetenz, die auch den Rundfunk umfaßt, nicht durch ausschließlich markt- und wettbewerbsorientiertes europäisches Recht ausgehebelt werden. Bestand und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind im übrigen auch nach Auffassung des Europäischen Parlaments, des Europäischen Kulturministerrats, des Europarats, des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein schützenswertes Gut von gemeinschaftlichem europäischem Interesse im Sinne des Maastricht-Vertrages.
MP 1/1997, S. 2-16
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