Spezialisierung der Mediennutzung im dualen Rundfunksystem
Sonderauswertungen zur Langzeitstudie Massenkommunikation
Seit der Entstehung des dualen Rundfunksystems ist ein neuer Vielsehertyp des Fernsehens entstanden: der Unterhaltungsvielseher. Während die Unterhaltungsnutzer im Jahr 1985 noch eher durchschnittlich die Fernsehprogramme verfolgten, sahen sie 1995 intensiver fern. Die Erreichbarkeit dieser Gruppe, deren Alter insgesamt gesunken ist, stieg im Vergleich zu 1985 um 12 Prozentpunkte (jetzt 87 %), die Verweildauer vor dem Fernsehgerät hat um durchschnittlich eine halbe Stunde pro Tag zugenommen (von 169 auf 198 Minuten). Der Anteil des unterhaltungsorientierten Fernsehpublikums in den neuen Bundesländern ist deutlich höher als in den alten Ländern. Die Ergebnisse von Sonderauswertungen der Langzeitstudie Massenkommunikation zeigen, daß zwischen 1985 und 1995 die primär unterhaltungsorientierte Zuwendung zum Fernsehen deutlich zu-, die primär informationsorientierte Zuwendung deutlich abgenommen hat. Entsprechende Zusammenhänge gibt es auch bei der Nutzung von Hörfunk und Tageszeitung. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung sind dramatische Veränderungen des Medienangebots. So steigerte sich das Unterhaltungsangebot im Fernsehen von 1985 bis 1995 ungefähr um das Fünffache. Wer das Fernsehen überwiegend informationsorientiert nutzt, sieht überdurchschnittlich öffentlich-rechtliche Programme, wer Unterhaltung präferiert, nutzt überdurchschnittlich private Offerten. Die Reichweite ausführlicher Nachrichtensendungen ist beim Kernpublikum des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mehr als doppelt so hoch wie beim Publikum der privaten Kanäle, politische Berichte und Magazine finden ein um ein Vierfaches größeres Publikum. Umgekehrt sind bei der Nutzung unterhaltender Angebote die Reichweiten beim Kernpublikum der Privaten doppelt so hoch wie beim Kernpublikum öffentlich-rechtlicher Programme. Das öffentlich-rechtliche Kernpublikum liest außerdem häufiger Zeitung, nutzt intensiver politische Information im Radio und liest häufiger Bücher. Mit der Spezialisierung in bezug auf Inhalte und Programmtyp, die mit soziostrukturellen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen etc.) verknüpft ist, zeichnet sich eine Entwicklung sozialer Klüfte im Umgang mit den Medien und vor allem ihrem Angebot an politischer Information ab.
MP 2/1997, S. 80-91
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