Heft 1

Christa-Maria Ridder

US-Kinderfernsehen zwischen Kommerz und Regelungsversuchen im öffentlichen Interesse

Geschichte, Strukturen und Inhalte amerikanischer Kinderprogramme

Im August 1996 verabschiedete die US-Rundfunkaufsichtsbehörde FCC eine Richtlinie, wonach alle Fernsehsender in der Woche mindestens drei Stunden pädagogisch wertvolle Programme ("Informational and Educational Programs") für Kinder ausstrahlen müssen. Sie konkretisiert die 1990 im Children's Television Act (CTA) festgelegte Verpflichtung der Fernsehsender, den Bildungs- und Informationsbedürfnissen von Kindern Rechnung zu tragen. Der Beitrag fragt, ob das kommerzielle US-Kinderfernsehen dieser Verpflichtung nachkommt. In den USA ist die Entwicklung des Kinderfernsehens stets eng mit der ökonomischen Entwicklung des Mediums Fernsehen an sich verknüpft gewesen. Nachdem Kindersendungen anfangs ins Programm genommen wurden, um den Verkauf von Fernsehgeräten zu fördern, richtete sich nach der Entdeckung des Marktpotentials der Zielgruppe das Kinderprogrammangebot nur noch nach dem Gesichtspunkt der Profitabilität. Regulierungsversuche in den 70er Jahren änderten an der kommerziellen Ausrichtung des Kinderprogramms nicht viel. Nach der völligen Deregulierung des Rundfunks während der Reagan-Ära in den 80er Jahren bestanden Kinderprogramme praktisch nur noch aus sogenannten Program-length commercials, produktbezogenen Zeichentrickfilmen, die ausschließlich dem Verkauf bestimmter Spielzeug- oder Trickfiguren dienen. Der ohnehin geringe Anteil an Bildungsinhalten im Kinderprogramm sank auf Null. Mit dem Children's Television Act von 1990 wurden Werbebeschränkungen und Bildungsverpflichtungen im Kinderprogramm zwar wieder eingeführt, doch selbst die jetzt erlassene Drei-Stunden-Quote pro Woche für pädagogisch wertvolle Sendungen ist nicht mehr als die Festschreibung des Status quo. Der wachsende Einfluß von Kindern auf Kaufentscheidungen hat in den 90er Jahren zu einer Differenzierung des Kinderfernsehmarkts geführt. Vor allem spezielle Kinderkanäle im Kabel boomen, die Kinderprogramme bei Networks und unabhängigen Fernsehsendern verlieren an Profitabilität. Die großen US-Anbieter versuchen weltweit, mit ihren Ablegern am lukrativen internationalen Kinderfernsehmarkt, in dessen Mittelpunkt Zeichentrickfilme stehen, zu partizipieren. Ein Rückgang der Kommerzialisierung des US-Kinderfernsehens ist somit nicht zu erwarten. Und auch das amerikanische Public Broadcasting System als Anbieter von anerkannt hochwertigem Kinderprogramm ("Sesamstraße") wird angesichts drastischer Subventionskürzungen auf Dauer kaum ein Gegengewicht bilden können, da es keinen ernsthaften politischen Willen gibt, die für ein qualifiziertes Kinderprogramm notwendigen öffentlichen Gelder bereitzustellen.

MP 1/1997, S. 31-42



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