Heft 8

Uli Gleich

Die Bedeutung medialer politischer Kommunikation für Wahlen

Aktuelle Forschungsergebnisse

Politische Kommunikation in den Medien kann Wahlentscheidungen beeinflussen, jedoch keineswegs im Sinne einer direkten und linearen kausalen Beziehung. Vielmehr ist von einem komplexen Wirkungsprozeß auszugehen. In jüngster Zeit wird in der politischen (Wahlkampf-) Kommunikation eine Entwicklung wie in den USA beobachtet, die sich durch eine stärkere Professionalisierung (u.a. Einsatz von Meinungsforschern, Medienberatern etc.), Beeinflussung der Medienberichterstattung durch Pseudoereignisse (z.B. Pressekonferenzen), eine zunehmende Personalisierung und eine Verschärfung des Kandidatenwettstreits auszeichnet. Mit wachsender Bedeutung des Fernsehens wurde aus einem Parteienwahlkampf ein Fernsehwahlkampf.

Nach den Ergebnissen einer Studie zum Bundestagswahlkampf 1994 fand man beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen weniger Anzeichen für eine offene oder indirekte Parteinahme für die Kandidaten als bei den privaten Programmen. Hierbei spielt auch das Kommunikationsverhalten politischer Journalisten eine wichtige Rolle. Wie aber gelangen Mediennutzer zu Urteilen und Bewertungen vor der Wahlentscheidung? Studien, die einen Zusammenhang zwischen Inhalten bzw. Wertungen der Berichterstattung und den Beurteilungskategorien der Wähler nachweisen, beziehen meistens die tatsächliche Mediennutzung der Befragten nicht mit ein. Wird diese aber berücksichtigt, ist ein Einfluß der Massenmedien auf das Wahlverhalten kaum noch zu erkennen. Dagegen verstärken Wahlwerbung und politische Berichterstattung bereits bestehende politische Überzeugungen. Ferner verändern sich die Beurteilungskriterien der Rezipienten mit der Nähe des Wahltermins, und der Medieneinfluß wird geringer.

Einige Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, daß durch die Schwerpunkte der Berichterstattung (besonders bei Personen mit geringem politischen Wissen) bestimmte kognitive Schemata ausgelöst (Framing) und Einstellungen beeinflußt werden. Vermutlich besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Framing der Journalisten und den Voreinstellungen der Rezipienten. Umstritten ist dagegen, inwieweit die weit verbreitete Politikverdrossenheit mit den Medien zusammenhängt. Zur Klärung dieser und weiterer Fragen wäre eine stärker medienpsychologisch orientierte Wahlforschung erforderlich.

MP 8/1998, S. 411-422



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