Heft 9

Uwe Hasebrink

Jugendmedienschutz im internationalen Vergleich

Untersuchungen zur Wirksamkeit von Richtlinien und V-Chip

Die öffentliche Debatte über Nachmittags-Talkshows in privaten Fernsehprogrammen, die Umsetzung der EU-Fernsehrichtlinie und die Einführung digitalen Fernsehens haben in Deutschland die Diskussion um den Jugendmedienschutz neu entfacht, so daß ein Blick auf Forschungsergebnisse ausländischer Jugendschutz- vorkehrungen lohnt. So steht in Frankreich die Kennzeichnungs- pflicht von Fernsehsendungen anhand eines fünfstufigen Kategoriensystems im Vordergrund der Überlegungen, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt im Fernsehen zu schützen. Hierbei klassifizieren die Programmveranstalter die Sendungen selbst, und ein eingeblendetes Symbol kennzeichnet den Gewaltgrad der Sendung. Während die Aufsichtsbehörde CSA eine positive Bilanz dieser Regulierungen zieht, bleiben Zweifel an der tatsächlichen Wirksamkeit.

In Großbritannien wurde das Problem des Jugendmedienschutzes in einem gemeinsamen Bericht der BBC und der Aufsichtsbehörden in Angriff genommen, wobei die eingesetzte Arbeitsgruppe die Empfehlung aussprach, Kindern und Eltern die Auswahl der Fernsehangebote in eigener Verantwortung zu ermöglichen, während ein V(iolence)-Chip oder andere technische Lösungen mit Skepsis betrachtet werden. Dagegen baut man in den USA auf den verbindlich vorgeschriebenenV-Chip, durch den Eltern bestimmte Sendungen anhand einer sechsstufigen Skala, die neben einer Altersangabe auch inhaltliche Hinweise gibt, für ihren Nachwuchs sperren können. Allerdings wird die Mehrheit der US-Haushalte frühestens in zehn bis 15 Jahren mit dem V-Chip ausgerüstet sein. Zudem hat eine Studie gezeigt, daß mehr als die Hälfte der Eltern die Sendungsklassifikationen nicht bei der Programmauswahl nutzte. Ein großangelegter Feldversuch in Kanada ergab, daß die Testteilnehmer den dort erprobten V-Chip wegen technischer Mängel, Hard- und Softwareproblemen nicht selbst kaufen würden. Laut Befragungen von Pay-TV-Abonnenten in Australien wird die dortige Sperrkarte für Pay TV in der Praxis kaum benutzt.

Viele der im internationalen Kontext vorgestellten Studien dienen vor allem der Legitimation von Einzelinteressen. Ernsthaft verstandener Jugendmedienschutz setzt jedoch Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen und unter Beteiligung aller Betroffenen voraus, was allerdings ein höheres öffentliches Bewußtsein für den Jugendmedienschutz erfordert.

MP 9/1998, S. 454-462



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