Wahlkampf unter Vielkanalbedingungen
Kampagnenmanagement, Informationsnutzung und Wählerverhalten
Schon aufgrund der großen Selektionsmöglichkeiten kann heute nicht mehr von einem wahlentscheidenden Einfluß des Fernsehens ausgegangen werden. Unter den Vielkanalbedingungen - den meisten Bürger stehen neben anderen Medienangeboten über 30 Fernsehkanäle zur Auswahl - können sich die Zuschauer mittels Fernbedienung leicht ungewollter politischer Beeinflussung entziehen. Zumal das Fernsehen, das an Faszination und Glaubwürdigkeit verloren hat, oft nur Nebenbeschäftigung ist.
Dennoch konzentrieren sich die Kampagnenmanager der Parteien auf das Medium Fernsehen, indem sie sich Wahlkampfmethoden aus den USA bedienen und positive Resonanz in den Medien anstreben. Auf Wählerseite ist das Bildungsniveau enorm angestiegen, während die Bindung an die Parteien zurückging, so daß der Typ des Wechselwählers inzwischen weit verbreitet ist. Das Wählersegment der Unabhängigen, die vor allem mit kleineren Parteien sympathisieren, gewinnt somit an Bedeutung. Zu den Wechselwählern gehören jedoch auch die Unpolitischen, die eher den großen Parteien zuneigen.
Trotz stärkerer Personalisierung des Wahlkampfs werden aber nicht die Unpolitischen, sondern eher die Gewohnheitswähler aktiviert. Während die Unabhängigen (auch "neue Parteilose" genannt) besonders aktiv die verfügbaren Informationsressourcen zur Meinungsbildung nutzen, bauen parteitreue Überzeugungswähler stärker auf das persönliche Gespräch und sind daher oft Meinungsführer in ihrem sozialen Umfeld.
Durch Politiker inszenierte Ereignisse stoßen bei den Zuschauern wie auch besonders bei Journalisten häufig auf Reserviertheit. Davon unabhängig ist der Amtsbonus des Regierungschefs im deutschen Fernsehen besonders ausgeprägt. Gerade bei den Privatsendern konnte darüber hinaus eine stärkere Parteinahme für einzelne Kandidaten festgestellt werden. Ein Einfluß des Fernsehens auf die Wahlentscheidung ist aber empirisch schwer nachweisbar. Offensichtlich können die Massenmedien insgesamt die Wähler kurzfristig aktivieren, nicht aber umstimmen. Langfristig sind aber zumindest die Unpolitischen von der Politikvermittlung in den Medien überfordert, so daß deren Politikverdrossenheit wächst und zur Wahlabstinenz beiträgt.
MP 8/1998, S. 378-391
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