Heft 11

Claudia Dubrau/Thomas Windgasse

Eins Live TV

Neue Formate für junge Zuschauer in öffentlich-rechtlichen Vollprogrammen

Von Januar bis Juni 1999 sendete das WDR Fernsehen ein neu konzipiertes Magazin für junge Leute, Eins Live TV, werktäglich von 17.30 bis 18.00 Uhr. Ziele waren, in diesem dritten Fernsehprogramm eine Programmfläche für das junge Publikum zu schaffen, eine inhaltliche Alternative zu den von Serien geprägten Vorabendangeboten anderer Sender anzubieten und dabei den Erfolg des Jugendradios Eins Live in der Zielgruppe der 14- bis 29jährigen auf das Medium Fernsehen zu übertragen. Die Akzeptanz bei den Zuschauern war allerdings enttäuschend. Dabei zeigte sich die paradoxe Situation, daß im Rahmen der Begleitforschung befragte junge Leute das Konzept grundsätzlich guthießen. Eins Live TV orientierte sich visuell an der Videoclip-Ästhetik. Es gab mono- und multithematische Folgen mit Reportagen, Talk, Veranstaltungshinweisen, Themenserien, Formen der Publikumsbeteiligung, Comedy und Satiren.

Für das Scheitern von Eins Live TV können mehrere Gründe ausgemacht werden: Erstens ergaben die Befragungen in der Zielgruppe auch, daß die Sendung es nicht schaffte, eine klare Erwartungshaltung aufzubauen. Zweitens sind die Fernsehgewohnheiten des anvisierten Publikumssegments am Vorabend stark verfestigt: Allein 55 Prozent der Zielgruppe schauen um diese Zeit bei zwei Privatsendern zu. Schließlich schreiben junge Leute dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Attribute wie grau, wenig Spaß machend und konservativ zu, es zählt damit für sie nicht zu den relevanten Medienangeboten. Das WDR Fernsehen, das sein Imageproblem bei jungen Leuten mit Eins Live TV angehen wollte, wird deshalb von der Zielgruppe nur selten eingeschaltet.

Insofern zeigen die Schwierigkeiten von Eins Live TV exemplarisch die grundsätzliche Problematik neuer jugendspezifischer Angebote in öffentlich-rechtlichen Vollprogrammen. Die Imagefaktoren reichen zum Teil so weit, daß Formate, die junge Menschen ansprechen, gar nicht erst gefunden werden, weil sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht erwartet werden. Sie müssen als Fremdkörper in einem anders geprägten Programmumfeld bestehen und haben somit kaum eine Chance, sich mit ihrem Publikum zu entwickeln.

MP 11/1999, S. 577-582



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