Heft 3

Horst Stipp

Nutzung alter und neuer Medien in den USA

Neue Erkenntnisse über die Wechselwirkung zwischen Online- und Fernsehkonsum

Die rasche Ausbreitung des Internets in den USA führt bereits seit Jahren zu Diskussionen, wie sich die Nutzung von Onlinemedien auf den Konsum "alter" Medien und insbesondere des Fernsehens auswirkt. Vielfach wird von einer rückläufigen Fernsehnutzung ausgegangen, eine These, die in der Regel mit Selbstein- schätzungen von Onlineusern belegt wird. Mit Befunden quantitativer Fernsehforschung lässt sich dieser Trend allerdings nicht bestätigen, im Gegenteil: Die Fernsehnutzung zeigt sich in den USA trotz Internetboom auf stabil hohem Niveau, und das Medium spielt mit 20 bis 40 Stunden Nutzungszeit pro Woche nach wie vor die alles überragende Rolle im Medienalltag der US-Bürger. Onlinemedien werden hingegen im Durchschnitt nur 1,4 Stunden pro Woche genutzt, und es zeigen sich extreme Unterschiede zwischen den Nutzertypen: Während das Drittel der sogenannten Heavy User mit monatlichen Nutzungszeiten von rund 14 Stunden für 80 Prozent der Nutzung verantwortlich zeichnen, ist das Drittel der Light User im Durchschnitt nur 23 Minuten online.

Vor diesem Hintergrund gibt es gegenläufige Prognosen zur zukünftigen Entwicklung: Während Jupiter Communications aufgrund von Befragungen von einem Rückgang der Fernsehnutzung ausgeht, erwartet eine Studie von Veronis, Suhler & Associates sogar eine leichte Aufwärtstendenz. Fernsehen und Onlinemedien stünden wegen unterschiedlicher Nutzungs- schwerpunkte (z.B. Unterhaltungs- versus Informationsorientierung) nicht in direkter Konkurrenz. Außerdem führe Onlinenutzung durch Funktionen wie Banking und E-Commerce auch zu Zeitersparnis in anderen Bereichen, die auch dem Fernsehen wieder zugute kommen könnten.

Ein zunehmendes Phänomen ist offenbar auch die gleichzeitige Nutzung von TV und Online. Bei etwa der Hälfte der Computerbesitzer befindet sich das Gerät im selben Raum wie der Fernseher, und jeder achte dieser Gruppe gibt an, "gestern abend" beide Geräte parallel genutzt zu haben. Die Fernsehsender reagieren auf diese Situation mit einer zunehmenden Verzahnung von Fernsehsendungen und Onlineangebot, und sie setzen ihre Breitenwirkung durchaus erfolgreich für eine gezielte Kanalisierung der Seher/Nutzer auf die komplementären Onlineseiten ein.

MP 3/2000, S. 127-134



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