Heft 6

Wolfgang Darschin/Camille Zubayr

Warum sehen die Ostdeutschen anders fern als die Westdeutschen?

Demoskopische Erklärungsversuche aus den Ergebnissen des ARD/ZDF-Trends und der GfK Fernsehforschung

Die Differenzen im Fernsehkonsum zwischen Ost- und Westdeutschen sind vor allem Ausdruck unterschiedlicher Lebensbedingungen. Dieses Fazit ziehen die Autoren aus Ergebnissen des ARD/ZDF-Trends - einer regelmäßigen Repräsentativbefragung zur Bewertung der Fernsehprogramme - und von GfK-Daten. Offensichtlich haben ostdeutsche Zuschauer andere Erwartungen an das Fernsehen. Während Nachrichten sowie unterhaltende Kino- und Fernsehfilme in West und Ost den gleichen (hohen) Stellenwert haben, sind Ostdeutsche weniger an Sendungen über Politik, Wirtschaft und Kultur interessiert als Westdeutsche. Zwar sind die Menschen in beiden Teilen Deutschlands mehrheitlich der Meinung, das Erste und das ZDF hätten die besten Informationssendungen. Dennoch fällt die Beurteilung der ostdeutschen Zuschauer skeptischer aus. Während die Privatsender (RTL, SAT.1, ProSieben) insgesamt im Osten freundlicher bewertet werden, bescheinigen die Menschen in Ost und West den öffentlich-rechtlichen Sendern gleichermaßen eine gute oder sehr gute Programmqualität.

Da die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Sender generell mit steigendem Alter anwächst, der Anteil jüngerer Zuschauer im Osten aber etwas höher ist als im Westen, kann damit - allerdings nur zu einem geringen Anteil - die Bevorzugung der Privatsender erklärt werden. Zweifellos sind die abweichenden Sozialstrukturen ein Grund für Differenzen im Fernsehkonsum. Insbesondere sozial Schwache (z.B. Arbeitslose, die im Osten vergleichsweise zahlreich vertreten sind) nutzen die Privatsender stärker. Es ist zu vermuten, dass die Menschen in den neuen Bundesländern auch deshalb verstärkt Privatsender sehen, weil sie in deren Unterhaltungsangebot Ablenkung von beruflichen Sorgen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten finden.

Außerdem haben Ostdeutsche ein geringeres Interesse an Politik und ein stärkeres Gefühl politischer Machtlosigkeit. Wie aus früheren Untersuchungen bekannt ist, steigt die Akzeptanz der Privatsender, je unpolitischer die Menschen sind. Wer dagegen mit der Demokratie in Deutschland zufrieden ist, bevorzugt öffentlich-rechtliche Programme.

MP 6/2000, S. 249-257



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