Heft 11

Andreas Vogel

Die tägliche Gratispresse

Ein neues Geschäftsmodell für Zeitungen in Europa

Mit der Beendigung des "Kölner Zeitungskriegs" im Sommer 2001 scheint die Einführung kostenloser Tageszeitungen in deutschen Ballungsräumen zunächst gescheitert. Dies gilt ebenso für Freiburg - dort wird lediglich noch einmal wöchentlich die Zeitung zum Sonntag herausgegeben, wie für Berlin, Hamburg und München (15.00 Uhr Aktuell, Insolvenz im Februar 2000) sowie schließlich für Köln (20 Minuten Köln, Köln Extra, Kölner Morgen; eingestellt im Juli 2001). Die Einstellung von 20 Minuten Köln, die auch zur Aufgabe der beiden Konkurrenzblätter führte, wurde vom norwegischen Mutterunternehmen Schibsted wettbewerbs- strategisch begründet, da ein deutschlandweiter Marktauftritt gegenwärtig nicht durchsetzbar sei. Die etablierten Verlage (z.B. Springer) reagierten nämlich auf Gratiszeitungen mit einer Doppelstrategie: Zum einen vor Gericht mit dem Argument der Unlauterkeit kostenloser redaktioneller Zeitungen und zum anderen ökonomisch durch die Gründung eigener Gratiszeitungen.

Ein Blick in die europäischen Nachbarländer zeigt jedoch, dass dort Gratiszeitungen in Großstädten erfolgreich sind und eine weitere Expansion zu erwarten ist. In Stockholm erschien bereits 1995 die erste kostenlose Tageszeitung (Metro) und war nach kurzer Zeit profitabel. Metro ist heute die meistgelesene Tageszeitung Schwedens. Das vielversprechende Konzept des inzwischen zum Konzern angewachsenen Unternehmens Metro International wurde auf andere europäische Metropolen ausgeweitet, wobei neben Schweden die Niederlande, Prag und Budapest als gewinnbringende Standorte gelten.

Die norwegische Mediengruppe Schibsted steuert ihre europaweiten Aktivitäten auf dem Markt der kostenlosen Tageszeitungen von Zürich aus. Gratisblätter wurden zum Teil gegen den Druck örtlicher Konkurrenz in der Schweiz, in Deutschland, Spanien und Italien gegründet, während der britische Markt von den einheimischen Verlagen weitgehend abgeschirmt wurde.

Die Kernzielgruppe der Gratiszeitungen ist ein junges und weibliches Publikum, das laut Marktuntersuchungen kaum von traditionellen Tageszeitungen erreicht wird. Mit den Gratisblättern etabliert sich ein eigenständiger Werbeträger, der als eine Form der reichweitenstarken Direktwerbung auf rasche Verbreitung baut und sich an hoch mobile Konsumenten richtet. Eine Rückkehr der Gratiszeitungen nach Deutschland ist vor diesem Hintergrund nicht auszuschließen.

MP 11/2001, S. 576-584



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