Heft 2

Gerlinde Frey-Vor/Heinz Gerhard/Inge Mohr

Mehr Unterschiede als Annäherung?

Informationsnutzung von Ost- und Westdeutschen: Erwartungen und Einstellungen

Trotz vieler Übereinstimmungen und einiger Annäherungen über die Jahre zwischen West und Ost prägen auch heute noch spezifische Erfahrungen mit DDR-Medien das Mediennutzungsverhalten der Ostdeutschen. Dieses Ergebnis wird erneut durch zwei von der ARD/ZDF-Medienkommission sowie vom Sender Freies Berlin in Auftrag gegebene und von der Gesellschaft für Innovative Marktforschung (GIM) durchgeführte qualitative Studien bestätigt. Neben der unterschiedlichen Mediensozialisation, die in der DDR andere Techniken der Selektion und des Umgangs mit Inhalten erforderte als die Mediennutzung im heutigen Mediensystem, spielen die Notwendigkeit der Neuorientierung nach der Wende sowie eine starke regionale Verwurzelung und ein spezifisch ostdeutsches Selbstverständnis eine wesentliche Rolle.

Im Vergleich zu Westdeutschen gehen Ostdeutsche pragmatischer und in Teilen sehr am Gebrauchswert orientiert mit den öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern um. Meinungsjournalismus ist generell weniger gefragt als Faktenvermittlung. Ferner fällt eine geringere Vertrautheit mit einigen Formen der politischen und kulturellen Berichterstattung wie auch eine größere Skepsis gegenüber dem Wahrheitsgehalt von politischen und wirtschaftlichen Informationen auf.

Dennoch hegen die Ostdeutschen besonders hohe Erwartungen an die öffentlich-rechtlichen Programme, die von diesen aufgrund des starken nationalen Wettbewerbs nicht immer erfüllt werden können. Die regionalen Angebote der ARD in Fernsehen und Radio haben in den letzten zehn Jahren bewusst an die Erfahrungen und Gewohnheiten der Menschen in den neuen Bundesländern angeknüpft und dienen daher als wichtiges Bindeglied zwischen der Herkunft der Ostdeutschen und ihrer Ankunft in der neuen Gesellschaft.

MP 2/2002, S. 70-76



Zurück zur Übersicht