Heft 11

Runar Woldt

Pay-TV: Marktbereinigung auf breiter Front

Krise und Konzentration im europäischen Bezahlfernsehen

In den vergangenen Monaten ist die europäische Pay-TV-Branche gleich von mehreren Hiobsbotschaften ereilt worden. Wirtschaftliche Probleme führten bei einigen Anbietern zum Verschwinden vom Markt, in anderen Fällen finden ehemalige Wettbewerber in Fusionen zueinander. Im Ergebnis ist ein Trend zu nationalen Anbietermonopolen im Pay-TV zu konstatieren. Die Zukunftsprognosen für die Branche insgesamt sind deutlich gedämpfter als noch vor wenigen Jahren.

Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem bislang vorherrschenden Pay-per-channel, dem klassischen, auf einem meist monatlichen Entgelt basierenden Abonnement eines Programmpakets, und dem Pay-per-view, der Abrechnung nach effektiver Nutzung einzelner Sendungen. Zur Profilierung gegenüber den Vollprogrammen im Free-TV setzen die Pay-TV-Anbieter vor allem auf Spielfilme, oft in Erstaufführung im jeweiligen nationalen Fernsehen, sowie auf die exklusive Übertragung von Ereignissen, vor allem aus dem Sport (Fußball, Motorsport). Der Wettbewerb um diese so genannte Premiumware hat deren Kosten in den vergangenen Jahren derart verteuert, dass die meisten Pay-TV-Plattformen mit enormen finanziellen Belastungen zu kämpfen hatten. Gleichzeitig entwickelte sich in vielen Fällen die Abonnentenzahl nicht wie erwartet. Die Konsequenz waren Defizite, die sich über Jahre hin zu hohen Schuldenbergen auftürmten.

Aus diesen Gründen mussten in Großbritannien der Anbieter ITV Digital und in Spanien die Plattform Quiero ihren Betrieb einstellen. In Italien beabsichtigen Telepiù und Stream zu fusionieren, das Gleiche gilt für Sogecable und Vía Digital in Spanien. In Deutschland kämpft die einzige Plattform, Premiere, seit Jahren um das Überleben. Die großen Summen, die die KirchGruppe über längere Zeit in das Pay-TV steckte, trugen mit zum Kollaps des Konzerns bei. Mit drastischen Sparmaßnahmen versucht Premiere, neue Investoren zu gewinnen.

Die weitere Entwicklung des Pay-TV wird eng verbunden sein mit der künftigen Gestalt des digitalen Fernsehens. Plausibel erscheint eine Variante, die ein Nebeneinander von eher traditionellem Free-TV und Formen des Pay-per-view voraussagt, während das klassische Abonnementfernsehen eher unter Druck geraten dürfte. Angesichts der Konzentrationstendenzen in diesem Sektor ist von der Medienpolitik und -aufsicht eine konsequente Sicherung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Plattformen und eine Förderung offener Standards gefordert.

MP 11/2002, S. 534-543



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