Heft 1

Douglas W. Vick/Gillian Doyle

Über die 'konvergierte Regulierung' zum deregulierten Medienmarkt?

Communications Act 2003 in Großbritannien

Mehr als vier Jahre dauerte der Vorlauf für die im Sommer 2003 verabschiedete Medienrechtsreform in Großbritannien. Nach anfänglichem Zögern entschied sich die Labour-Regierung unter Premierminister Tony Blair für eine in vielen Bereichen radikale Umorientierung der Medienregulierung. Ende Dezember 2003 nahm Ofcom, der durch die neue Gesetzgebung geschaffene "Superregulierer", offiziell seine Tätigkeit auf.

Ofcom ist die Verkörperung des neuen Ansatzes der integrierten oder "konvergierten" Regulierung, indem es die Aufgaben von nicht weniger als fünf voneinander unabhängigen, in unterschiedlichen Regelungsbereichen tätigen Aufsichtsinstitutionen unter einem Dach vereinigt. Ofcom ist zuständig sowohl für die Aufsicht über die Infrastruktur (Telekommunikation, Frequenzen) als auch für die Zulassung von Anbietern und die Überwachung inhaltlicher Standards. Erstmals in der britischen Mediengeschichte hat mit Ofcom außerdem eine externe Institution auch Zuständigkeiten für einzelne Aspekte der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen BBC erhalten, die bis dahin ausschließlich dem internen Kontrollgremium des Board of Governors verantwortlich war.

Wesentliche Neuerungen neben der Einrichtung von Ofcom waren die Abschaffung großer Teile der bisher gültigen Anti-Konzentrationsregeln im britischen Radio und Fernsehen sowie die Einführung eines "3-Ebenen-Ansatzes" für die Inhalteregulierung. Ersteres bedeutet eine weitgehende Öffnung des britischen Medienmarktes für Konsolidierung innerhalb des Radio- und Fernsehsektors, für multimediale Verflechtung und neue Investitionsmöglichkeiten für Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern (vor allem den USA). Dem allgemeinen Wettbewerbsrecht soll generell der Vorzug vor medienspezifischen Regeln bei der Sicherung von Pluralismus und Vielfalt gegeben werden. In Bezug auf die Inhalte verfolgt die neue Gesetzgebung eine Strategie des "light touch", das heißt möglichst geringer Einwirkung auf die Inhalteproduktion und -verbreitung unter Beibehaltung einiger grundlegender Standards und Kontrollinstrumente.

Erst in letzter Minute konnten im Gesetzgebungsprozess einige Ergänzungen für den Communications Act 2003 durchgesetzt werden, die die starke Tradition des "Public Service" im britischen Mediensystem auch unter den neuen Bedingungen fortführen sollen. So ist beispielsweise ein "Pluralitätstest" vor der Genehmigung von Fusionen im Mediensektor vorgesehen. Außerdem soll Ofcom regelmäßig über die Situation des Public-Service-Rundfunks berichten.

MP 1/2004, S. 38-48



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