Heft 10

Ursula Dehm/Christoph Kochhan/Sigrid Beeske/Dieter Storll

Bücher -' Medienklassiker' mit hoher Erlebnisqualität

Lese-Erlebnistypen und ihre Charakteristika

Welchen Stellenwert haben Bücher in der durch eine Vielzahl konkurrierender medialer und nichtmedialer Freizeitangebote gekennzeichneten Erlebnisgesellschaft? Welche Erlebnisqualität hat der "Medienklassiker" Buch für seine Nutzer, insbesondere im Vergleich mit dem Fernsehen? Diesen Fragen geht eine Repräsentativbefragung vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, ZDF und forsa nach. Ausgangspunkt ist dabei eine von ZDF und forsa im Jahr 2003 durchgeführte Befragung zum Fernseherleben. Dort hatte sich gezeigt, dass unabhängig von den Inhalten fünf Dimensionen das Fernseherleben der Zuschauer prägen, nämlich Emotionalität, Orientierung, Ausgleich, Zeitvertreib und Soziales Erleben. Diese fünf Erlebnisfaktoren wurden mit Hilfe von 20 Aussagen/Gratifikationserwartungen gemessen, die auf der Forschung zum Uses-and-Gratifications-Approach basieren. Mit den gleichen Aussagen wurde nunmehr das Leseerleben erfasst.

Die Ergebnisse zeigen, dass dem Bereich Emotionalität zuzuordnende Aussagen wie Spaß, Spannung und Entspannung sowie Abwechslung das Leseerlebnis am Besten beschreiben. Am zweitwichtigsten ist die Orientierung, die das Lesen gibt (Anregungen zum Nachdenken, Gesprächsstoff, Verständnis usw.). Nach Genrepräferenzen gibt es jedoch Unterschiede: Während beispielsweise Romanleser vor allem Spaß und Ausgleich erleben, sind für Sachbuchleser und Leser von (Auto-)Biografien Orientierungsgesichtspunkte am wichtigsten. Dennoch empfinden auch diese Leser ein ebenso starkes emotionales Erleben beim Lesen wie der Durchschnitt der Befragten. Deutlich wird, dass Lesen generell eine starke emotionale Komponente hat.

Dies bestätigt sich auch beim Vergleich mit dem Fernseherleben: Lesen wird generell vielfältiger erlebt als Fernsehen - was insofern nicht erstaunt, als Lesen sehr viel mehr Aktivität erfordert als Fernsehen und deshalb auch von einer höheren Gratifikationserwartung auszugehen ist. Vor allem Emotionalität, aber auch Ausgleich und Zeitvertreib werden beim Lesen stärker erlebt. Allerdings ergeben sich für einzelne Lesergruppen je nach Alter, Geschlecht, Bildung, Lesehäufigkeit und Fernsehnutzung unterschiedliche Profile des Leseerlebens.

Solche differierenden Profile unterscheiden auch die mittels einer Clusteranalyse ermittelten vier Lesetypen: Während die mit gut zwei Fünfteln größte Gruppe der so genannten zurückhaltenden Orientierungsleser die geringste Erlebnistiefe unter den Leser aufweist, wiesen die begeisterten Kompensationsleser (16 %) in allen Erlebnisdimensionen hohe Werte auf. Die habituellen Wellnessleser machen 19 Prozent und die informationssuchenden Selektivleser 22 Prozent der Leser aus. Insgesamt erklärt die festgestellte Intensität des Leseerlebens in fast allen Gruppen den nach wie vor hohen Stellenwert von Büchern.

MP 10/2005, S. 521-534



Zurück zur Übersicht